[Kalkalpen-Startseite] [Vorbemerkungen (bitte zuerst lesen!)] [Stichwortverzeichnis] [Impressum] [Kontakt]
Home XII. Die Krotenköpfe Langwieriger und ermüdender Anstieg Oestliche Schulter des Grossen Krotenkopfs; ein zweiter "Kalter Winkel"; der Ilfensee
 H. v. Barth: Aus den Nördlichen Kalkalpen (1874)
 II. Aus den Algäuer Alpen [geographische Bezeichnungen sind noch nicht überprüft]
 XII. Die Krotenköpfe

Sattel zwischen dem Grossen Krotenkopf und dem Karrerjochspitz. Das obere Bernhardsthal; der Ilfenspitz

Die Sattelhöhe stand mir nun zwar nicht nahe, aber doch in abschätzbarer Entfernung vor Augen. Feinkiesiger, fester Boden, mit fast verdorrtem, kurzen Rasen bewachsen, gab bessere Bahn und gestattete mir ein sicheres und rascheres Auftreten; aber die Elasticität des Ansteigens war nun einmal gründlich weg und auch das drohend im Westen sich ballende und heraufziehende Gewölk vermochte den Schritt nicht zu beschleunigen.

Um 3 Uhr Nachmittags betrat ich den Sattel: vor mir ein tiefer, steiniger Bergkessel, in welchen von der Kammhöhe weg jähes Geschröf, mittendurch ein breiter, wohl gangbarer Schutteinriss sich absenkt; sein innerster Winkel, unter den Mauern der beginnenden Hornbacher Kette gelegen, ist mir durch den zur Linken stehenden Körper des Grossen Krotenkopfes gedeckt. Abwärts verliert er sich, um einige starke Terrassenstufen fallend, in südöstlicher Wendung zur Tiefe des Bernhardsthales. Jenseits dieser Mulde steht eine Riesengestalt von regelmässig kühnem Baue mir gegenüber: eine steile Pyramide mit schmal gerundetem Haupt, südwärts einige Zweigrippen in's Kar, und einen langen Seitenkamm als nordöstliche Schranke des Bernhardsthales entsendend; alles nackte Felsmasse, prächtig gezeichnet von den Parallelbändern stark aufgerichteter Schichten, deren Enden auf der Gratschneide gleich Sägezähnen emporstarren. Zackig und zerrissen zieht ihre Westkante zum Hauptgrate herab; jäh fällt ihre Nordflanke, an welcher ein paar Schneefelder glänzen, gegen die March. Es ist der Ilfenspitz, der hier so abschreckend diejenige Seite mir zuwendet, von welcher er seinerzeit wird erstiegen werden müssen; denn auch aus andern Weltgegenden habe ich ihn beobachtet und weiss, dass er gegen Westen, seiner Gratkante nach, allein einen gangbaren Neigungswinkel zeigt.

Links gewendet ging's nun am Grossen Krotenkopfe selbst hinan, einen breiten, mässig gehobenen Felsrücken, Schutt und Getrümmer in seltener Abwechselung mit kleinen Plätzen ersterbenden Rasens; zur Linken blieb mir ein ziemlich tiefer, auf das Kar, das ich vorher durchstiegen, ausmündender Geröllgraben. Der Karrerjochspitz, der auf dem Sattel noch mit gewaltigen Steinmauern mich überragt hatte, verlor zusehends an Höhe und stand bald in gleichem Niveau mit mir; der Gipfel dagegen, welchen ich anstieg, wollte noch lange keine Nähe des Zieles verrathen; es liess überhaupt nur eine kurze Strecke seiner Abhänge jeweils überblicken, Felsstufen und gehäuftes Blockwerk in regellosem Durcheinander und so sehr in die Breite gedehnt, dass die Linie des Bergrückens mitunter kaum bemerkbar daraus hervortrat.


Copyright © https://alpinhistorie.bergruf.de/barth/kalkalpen/
Letzte Aktualisierung am 25. April 2021

Home XII. Die Krotenköpfe Langwieriger und ermüdender Anstieg Oestliche Schulter des Grossen Krotenkopfs; ein zweiter "Kalter Winkel"; der Ilfensee