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Home X. Die Trettachspitze an der Mädelegabel Geschichte und Mythe der Trettachspitze Erstes Nachtlager in Einödsbach; die Bacher Zwing
 H. v. Barth: Aus den Nördlichen Kalkalpen (1874)
 II. Aus den Algäuer Alpen [geographische Bezeichnungen sind noch nicht überprüft]
 X. Die Trettachspitze an der Mädelegabel

Orographische Stellung und Bedeutung

Dem Hauptkamme der Algäuer Alpen, welcher vom Biberkopfe über die Rappenköpfe und das Wild-Männle zum Doppelgipfel der Mädelegabel, dann weiter über den Kratzer und das Mädelejoch zu den Krotenköpfen zieht, gehört die Trettachspitze nicht an; sie steht, dem nordöstlichen (gemeiniglich bestiegenen) Gipfel der Mädelegabel hart gegenüber, bereits auf dem Seitengrat, der weit gegen Norden hinausziehend die Thäler der Stillach und der Trettach von einander scheidet und mit dem pyramidalen Himmelschrofen (5284' 1716 m. Sendtner) in die Oberstdorfer Thalebene abfällt. Die rauhen Dolomitzacken, welche thaleinwärts bis zu 5772' 1875 m. Sendtner (Hinterer Himmelschrofen) sich erheben, machen eine weitere Strecke vor Anschluss dieses Kammes an das Centralmassiv der Mädelegabel den begrünten, geradlinigen Bergrücken mit steilabdachenden Seitenflächen Platz, welche aus den Schiefern des oberen Algäu-Lias (Algäuschiefer) aufgebaut, dem Algäuer Gebirg sein charakteristisches Gepräge verleihen.

Ueber den Rücken des Einödsberges (5695' 1850 m. Sendtner) streicht die Kammlinie gegen Süden zum Spätengund- oder Einödsbergkopfe (6193' 2012 m. Sendtner), welcher weniger einen Gipfel, als eine vortretende Ecke des um eine starke Stufe höher gehobenen Grates darstellt. Den letzteren krönt nun bald wieder Dolomitfels, zerborstene Zacken reiben in wachsender Höhe sich aneinander, die Wildengundköpfe, auf deren höchsten sich die von Sendtner unter "Wildegundkopf" angeführte Messung 6930' 2251 m. beziehen mag; doch erscheinen diese Spitzen wie Zwerge nur gegen den Riesen, der ihre Reihe schliesst. In einem Aufschwunge gewinnt die Trettachspitze die Höhe von 7956' 2584 m. Sendtner, stürzt auf der Gegenseite fast ebenso tief, als ihr Nordfuss gelegen, zu enger Scharte senkrecht ab und schliesst an die nordöstliche Mädelegabelspitze (8124' 2639 m. Grenzk.) des Centralkammes an. Sie beherrscht die innersten Schluchtenwinkel der beiden Thäler, welche der Klamm des Himmelschrofen von einander scheidet: die Wilden Gräben mit dem Firnstreif der Hohen Trettach im Osten, das Bacherloch und die Schneeflucht im Westen.

Die relative Höhe der Felsspitze, wie sie auf dem Grate und in dem letzten kleinen Kare auf der Westseite des letzteren fusst, darf auf ca. 1000' [300 m] angeschlagen werden. Der Grundzug ihres Baues ist der eines gegen Süden vorgeneigten Obelisken; als abgehackte, in zwei gewaltigen Wandstufen niederstürzende Säule erscheint sie von Süden, vom Gipfel der Mädelegabel aus gesehen; als gekrümmter Finger von Westen; als spitzes, rechtwinkeliges Dreieck, dessen Hypotenuse mit der Basis einen Winkel von ca. 60° bildet, von Osten; vom Rande der Schwarzen Milz und des Trettachferners herüber; als ziemlich regelmässiger Zuckerhut endlich vom Norden. In dieser Gestalt würde sich sich denn auch dem Illerthale und dem flachen Lande zeigen, wenn nicht der breite Hintergrund der nordöstlichen Mädelegabelspitze, an welche sie sich anlehnt, es verhinderte, dass sie, selbst mit gut bewaffnetem Auge, unterschieden werden könne. Nur wenn zertheilte Wolkenschichten zwischen den Gipfeln des Hochgebirges hin- und herziehen, lässt wohl ein Augenblick sich erhaschen, wo die Trettachspitze am Wolkenhintergrunde, von ihrer Nachbarin getrennt, sich abzeichnet. Um so imponirender erscheint sie den Thälern an ihrem Fusse – der Spielmannsau, deren Hintergrund sie ganz allein beherrscht, und der Birgsau, welcher sie im Reigen der drei Mädelegabelspitzen als ebenbürtige Genossin derselben, ja beinahe als die gebietende unter ihnen sich zeigt.


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Letzte Aktualisierung am 25. April 2021

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