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Home III. Die Göllkette Der Göll, ein Kettengebirge Ein Steinernes Meer im Kleinen
 H. v. Barth: Aus den Nördlichen Kalkalpen (1874)
 I. Aus den Berchtesgadener Alpen
 III. Die Göllkette

Nächtliche Wanderung in's Alpelthal [1868]

Tiefdunkle, sternenhelle Nacht sah mich am 26. Juli 1868 Morgens um 1/2 3 Uhr die Hauptstrasse Berchtesgadens dahinziehen und die steinernen Stufen zur Saline hinabsteigen; bis zu später Nachtstunde hatte ein fröhlicher Kreis mich festgehalten, der sternenklare Himmel hatte den Gedanken in mir geweckt, den morgigen Tag auf dem Göll zu verbringen; und dem Entschlusse folgte die Ausführung nach wenigen Stunden der Ruhe. Zu häufig schon hatten meine Schritte, auf neue Abenteuer ausgehend, mich die Pfade am Westgehänge des Königsseegebirges hinangetragen, als dass ich nicht in nächtlichem Dunkel auch meine Bahn dort hinauf unbeirrt hätte verfolgen können; über die thaunassen Wiesen, durch die Gehölze und tiefen Gräben, an den zerstreuten, kleinen Berglehen vorüber wanderte ich der Höhe zu, die frische Morgenluft begünstigte einen raschen Vormarsch; grau liegt zu meinen Füssen das Thal, verschwommen seine düsteren Umrisse; mächtigen Inseln gleich steigen aus der dämmernden Tiefe die stolzen Bauten des Watzmann, Hochkalter, der Reitalm [Reiter Alpe] empor; ihre felsenkahlen Häupter beginnen bereits im Halblichte des nahenden Morgens zu erbleichen, während am dunklen Himmelsblau des Westens noch hell die Sterne funkeln. Eine starke Stunde bereits bin ich unterwegs, das erste Tausend Fuss liegt hinter mir; tiefes Walddunkel umfängt mich, ich lenke in den Graben des Alpelbaches ein und verlasse hier den breiten, zum Vorderbrandlehen hinaufführenden Weg; ich bin an den Eingang des Alpelthales getreten, dessen Senkung mich hinauf zum Göll geleiten soll.

Einen schmalen, holperigen, in der Finsterniss kaum ausfindbaren Steig verfolgte ich längs des rauschenden Baches hinauf, allmählig begann es zu dämmern, und etwas Tageslicht wurde nun auch höchst nothwendig, da die enge Schlucht allmählig sich weitete und der Pfad in ihr zuweilen gänzlich verschwand; eine kleine, waldumschlossene Alpwiese birgt sie in ihrem Hintergrunde, abgesperrt von schroffer, krummholzüberhangener Mauerstufe; in die Höhe ragen zur Rechten die Felsenabstürze des Hochbrett [Hohes Brett], zur Linken die Zacken des Thiereckberges [Dürreckberg], welcher die Südseite des Scharitzkehlthales begleitet. Ein schmaler Zickzackpfad leitet den steilen Absatz hinan zu den höhergelegenen Terrassen, auf deren breiten, allerwärts gangbaren Boden ich die Spuren des gebahnten Pfades bald wieder verloren hatte; durch Hochwald, mit Legföhren untermischt, stieg ich in möglichst gerader Richtung von einem Hügeldamme zum anderen empor, jetzt erst brach völlig der Morgen heran, seine Gluthstrahlen über den zackigen Watzmann ergiessend, während tiefe Schatten noch im Inneren des Endsthales, an der Nordflanke des Göll lagerten.


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Letzte Aktualisierung am 25. April 2021

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