[Kalkalpen-Startseite] [Vorbemerkungen (bitte zuerst lesen!)] [Stichwortverzeichnis] [Impressum] [Kontakt]
Home XVIII. Die Falken in der Riss Eine böse Stelle Rückkehr in's Blausteigkar und nach Ladiz
 H. v. Barth: Aus den Nördlichen Kalkalpen (1874)
 IV. Aus dem Quellen-Gebiete der Isar [Karwendel] [geographische Bezeichnungen sind noch nicht überprüft]
 XVIII. Die Falken in der Riss

Der Gipfel und seine Theilung

Ich glaubte, damit das letzte Hinderniss beseitigt zu haben; doch wartete meiner oben noch manch' harte Nuss. Nur ein paar Schritte weit vermochte ich auf der zerspaltenen Trümmerschneide mich zu halten, dann ging's wieder hinaus in die Laliderer Seite, an den schmalen Gesimsen entlang, von Ecke zu Ecke, von Kluft zu Kluft, den angewurzelten Graspäckchen mich vertrauend und oft mit langgedehntem Tritte nur sie erhaschend. Zur Rechten dabei stets die schwindelnde Tiefe des Laliderer Thales; zur Linken der Grat, eine Reihe bizarrer, aus Platten aufgeschichteter Felsgebilde. Auf sienen Scheitel nach einer Weile Querganges zurückkehrend, fand ich ihn etwas gangbarer, noch ein ungeschlachter Felsklotz wurde überklettert, und übe aufgelöstes, wirres Getrümmer, über niedrige rauhe Höcker der zuletzt fast horizontal verlaufenden Schneide erreichte ich, 11 Uhr 45 Min., den Culminationspunkt des Laliderer Falken; derselbe liegt fast genau am Vereinigungspunkt der Grate, welche die Nord- und Nordostseite des Blausteigkars umfassen.

Imposant stand mir der Risser Falk im Westen gegenüber; er erweist sich seinem östlichen Nachbar als vollkommen ebenbürtig, wenngleich der Klinometer einen kleinen Ausschlag zu Gunsten des letzteren ergibt. Die allgemeine Fernsicht des Falken bietet gegenüber jener des Sonnjochs (und wahrscheinlich auch des Gamsjochs) nicht viel Neues, namentlich ist der Ausblick gegen Norden, über das Gebirge der Riss und des Achensees, das bayerische Voralpenland und die Ebene der gleiche, wie auf jenen Gipfeln. Im Süden dominirt der zinnenreiche Mauerwall der Hinterauthaler Kette, im Westen zeigt über dem Sattel der Hoch-Alpe und den Gipfelgruppen der Karwendelkette sich das ferne Wetterstein-Gebirge. Interessant sind die Detailansichten, welche der Gipfel bietet, namentlich die seiner um ein Bedeutendes niedrigeren Nebengipfel. Er besitzt einen solchen sowohl im Norden als im Westen, daher seine Kuppe, mag sie von welcher Seite immer betrachtet werden, doppelgipfelig gespalten sich zeigt. Der westliche wäre längs einer Schutteinsenkung der Nordflanke leicht erreichbar, nicht so der nördliche, welcher durch eine tiefe, eingemauerte und in ihrem Grunde noch mit einer äusserst scharfen Felsnadel besetzten Scharte von ihm abgetrennt ist. Auf diesen nördlichen Nebengipfel würde man gelangen, erstiege man auf der schuttbedeckten Nordostabdachung, die bei Betrachtung vom Plumser Joche hier in die Augen fällt, den Laliderer Falken; im letzten Momente noch würde man daher auf diesem Wege vom eigentlichen Ziele, vom Culminationspunkte des angestiegenen Berges sich abgeschnitten sehen.

Wie es mit früheren Ersteigungen dieses Falken bestellt sein mag, wage ich nicht zu entscheiden; dass Edelweiss-Sucher auf seine Zinne kommen konnten, ist nicht abzustreiten, da an den Grasgesimsen der Laliderer Seite wohl noch die schöne Alpenblume gedeihen mag; ob sie von den besseren und zweifellos reicheren Plätzen der dem Blausteigkar zugekehrten Südwestseite sich dort hinauswagten, zumal ohne Eisen (denn dieses, wenigstens in brauchbarer Form, kennen die Leute jener Gegend nicht) ist eine andere Frage. Spuren früheren Besuches habe ich auf dem Falken nicht gefunden, was freilich die Möglichkeit eines solchen keineswegs ausschliesst.

Die bereits berührte Mangelhaftigkeit in kartographischer Darstellung des Falken-Gebirges erstreckt sich auch auf die Höhenmessung in seinem Bereiche. Der Kataster bestimmt für den "Grossen Falken" (Oestlichen?) 7600' 2469 m. Höhe, für den "Kleinen" – (Westlichen?) 7421' 2412 m., eine ganz unglaubliche Differenz der beiden Hauptgipfel der Gruppe. Lässt man die Höhe von 7600' (welche indess im Vergleiche mit dem Sonnjoch und dem Gamsjoch als etwas zu hoch gegriffen erscheint), für den Oestlichen oder Laliderer Falken gelten, so würden sich für den Westlichen oder Risser Falken mindestens 7580' 2462 m. Höhe berechnen.


Copyright © https://alpinhistorie.bergruf.de/barth/kalkalpen/
Letzte Aktualisierung am 25. April 2021

Home XVIII. Die Falken in der Riss Eine böse Stelle Rückkehr in's Blausteigkar und nach Ladiz