[Kalkalpen-Startseite] [Vorbemerkungen (bitte zuerst lesen!)] [Stichwortverzeichnis] [Impressum] [Kontakt]
Home XVIII. Die Falken in der Riss Der Kamin Die Gemsen wissen noch einen zweiten Falken-Weg
 H. v. Barth: Aus den Nördlichen Kalkalpen (1874)
 IV. Aus dem Quellen-Gebiete der Isar [Karwendel] [geographische Bezeichnungen sind noch nicht überprüft]
 XVIII. Die Falken in der Riss

Plattstufen, Geschröf, Gipfel

Ei, diese Gemsen! – der Sorge, in etwas unangenehmerer Weise ein zweites Mal mit ihnen zusammen zu treffen, war ich nunmehr überhoben. Während des Aufkletterns durch den Kamin hatte ich wohl ängstlich gelauscht, ob in der Höhe nicht ein unheilvolles Geprassel und Gepolter erschalle, – denn was lag näher, als dass das Wild, auf seinem luftigen Standorte beunruhigt und bedrängt, den einzigen Zugang und Ausweg mit Gewalt zurückbrechen würde! Ja, wäre mit diesen Gazellen der Alpen ein verständiges Wort zu wechseln, so würde ich ihnen wohl begreiflich machen, dass wir auf dem Haupte des Falken uns gar wohl vertragen könnten! – Aber Nichts hatte sich geregt, unbeachtet von meinen Wegweisern hatte ich das enge Thor ihrer Felsenresidenz passirt. Sind sie noch dort – und wo sollten sonst sie sein? – so will ich wohl Sorge tragen, dass für den Heimweg mir der Rücken frei bleibt!

Die Gipfelkante selbst, die ich erreicht, konnte noch nicht auf längere Strecke verfolgt werden; dafür bot die Ostseite des Berges gangbaren, wenngleich etwas steilen Boden. Noch einmal sperrten Plattenlagen mir den Weg; doch auch sie, die ich gesern zu fast gleicher Tagesstunde vom Oestlichen Falken gesehen und für unersteiglich gehalten hatte, erwiesen sich keineswegs als glatt und stufenlos. Von Furchen durchstrichen, in deren Innerem kleine Rasenpäckchen wurzeln, in Rippchen getheilt, deren Abbrüche schmale Tritte bieten, ist auch dieser letzte Wall in wenigen Minuten überklommen. Aufgelöstes, rauhes Geschröf deckt die Bergflanke, deren Steigung nach dem ersten Gipfelpunkte hin sich nun fühlbar vermindert. Gegen Links abschwenkend erstieg ich zum letzten Male den Grat, einen aus mürben Schrofen und losgerissenen Felsblöcken zusammengewürfelten Rücken, einen Augenblick später stand ich hoch auf dem Gipfel des jungfräulichen Falken und schickte meinen hellen Jauchzer hinunter zur Riss.


Copyright © https://alpinhistorie.bergruf.de/barth/kalkalpen/
Letzte Aktualisierung am 25. April 2021

Home XVIII. Die Falken in der Riss Der Kamin Die Gemsen wissen noch einen zweiten Falken-Weg