[Kalkalpen-Startseite] [Vorbemerkungen (bitte zuerst lesen!)] [Stichwortverzeichnis] [Impressum] [Kontakt]
Home XV. Der Grosse Speckkarspitz in der Hallthaler Kette Ein Plan und eine Rekognoscirung Vom Grossen in das Kleine Speckkar
 H. v. Barth: Aus den Nördlichen Kalkalpen (1874)
 III. Aus dem Nord-Innthaler Gebirge [Karwendel/Mieminger Gebirge] [geograph. Bezeichnungen noch nicht überprüft]
 XV. Der Grosse Speckkarspitz in der Hallthaler Kette

Zweiter Irrgang im Krummholz

Zudem gewahrte ich bald, dass ich mit solch' vorzeitigem Abweichen nichts gewonnen; enge Lücken des Gestrüpps liessen mich die Nähe der gewaltigen Steilwände erkennen, welche einen weiten, kellerartigen Ausbruch im Fundamente des Oestlichen Lafatschers einrahmen und im Hallthale unter dem Namen der "Hohen Wand" bekannt sind. Nun hatte ich vor Allem gerade aufsteigend eine grössere Höhe zu gewinnen, steil eingeschnittene Rinnen, schmale Gesimse absetzender Wandstufen leiteten pfadlos meine Schritte empor, meist aber stack ich in der sperrenden Dickung der Legföhre. Länger denn eine Stunde währte diese höchst unerfreuliche Wanderung; endlich wurden die Büsche schwächer und niedriger; liessen Kopf und Arme aus ihrem beweglichen Gitter frei; die geschlossenen Bestände verloren sich, Lichtungen steiniger Grasplätze zogen sich am Berggehänge hinauf und erlaubten nun ein rasches Aufsteigen in höhere, vom Krummholze bald gänzlich velassene Gebirgszone. Mit Benützung des Jochweges freilich, den ich erst in nächster Nachbarschaft des Lafatscher Joches hätte verlassen sollen, wäre ich dorthin mit etwas geringerem Aufwande an Zeit wie an Mühe gelangt; doch war das Uebel nun einmal geschehen, und ich mochte froh sein, dass es überstanden.

Von Rippe zu Rippe ging es nun beschleunigten Schrittes quer durch, meist über Grasboden, zuweilen durch Plätze zwerghafter Legföhren, hier und da wurde ein niedriger Felswall, eine schmale Runse übersetzt. Den Steinmann, der nach Posch's Angabe den richtigen Weg bezeichnen sollte, konnte ich nirgends entdecken, und das weitere, von ihm angerathene Hülfsmittel, auf die Kritze der Schuhnägel am Gestein zu achten, war mir etwas zu problematisch und zeitraubend. Ich hatte bequeme Bahn und konnte allen Umständen gemäss auch mich Sicherheit annehmen, dass ich auf dem richtige Wege mich befinde. Und als ich auf der Randkante des Lafatschermassivs gegen das Grosse Speckkar angelangt war, sah ich mich in der That auch an der richtigen Uebergangsstelle; ein mässig geneigter Hang kahlen, mit wenig Rasenstufen besetzten Geplätts senkte gegen die Geröllkessel, die begrünten Hügelwellen sich hinab, seine Uebersteigung wurde unschwierig bewerkstelligt und ich befand mich wieder im Speckkar.

Es war 7 Uhr Morgens; die Sonnenstrahlen waren bereits in die innerstne Thalwinkel gedrungen, kein Nebelflöckchen trübte noch das reine Himmelsblau. Aus den lachenden Fluren des Innthales aber schnellten da und dort weisse Dampfballen empor, gefolgt von lautem Pöllerknall, der Nah und Fern und auch den unwirthlichen Höhen den Anbruch des Festtages verkündete. Ein feierlicher Empfang fürwahr erwartete mich auf dem bezwungenen Gipfel. Sollte es gelingen?


Copyright © https://alpinhistorie.bergruf.de/barth/kalkalpen/
Letzte Aktualisierung am 25. April 2021

Home XV. Der Grosse Speckkarspitz in der Hallthaler Kette Ein Plan und eine Rekognoscirung Vom Grossen in das Kleine Speckkar