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Home XXVI. Der Hoch-Blassen Ueber die Bernadin-Alpe zur Scharte des Gassenthales Auf dem Gaifengrat
 H. v. Barth: Aus den Nördlichen Kalkalpen (1874)
 V. Aus dem Wetterstein-Gebirge [geographische Bezeichnungen sind noch nicht überprüft]
 XXVI. Der Hoch-Blassen

Weidegrenzen

An der kleinen, verlassenen Alphütte (4396' 1428 m. Sendtner) zogen wir vorüber; eine theilweise bewaldete, ziemlich hohe Bergstufe baute vor uns im Südwesten sich auf, schwach ausgeprägt leitete der Pfad ihrem Scheitel entgegen. Wir traten in's Gassenthal ein; zur Linken begleitete unseren Weg eine zackig ausgeschnittene Steilwand, 60-100' [20-33 m] hoch, die Einrandung des Stuibenplateau's, welches von dieser Seite her nur an wenig Stellen mit Schwierigkeit, erst im letzten Abschlusse des Gassenthals auf bequemer Bahn zu betreten ist. Weite, wellige Terrassen dehnen, sobald der erste Absatz erstiegen, zur Rechten sich aus, in tiefer Zone noch mit Krummholz überkleidet, welches bei wachsender Steigung allmählig sich verliert; dort oben liegt im einsamen Felsenbecken der Stuibensee (5964' 1947 m.) und aus zwei gewaltigen Strebepfeilern, die von seinen Ufern emporsteigen, schliesst sich der Pyramidenbau der Alpspitze zusammen. Allmählig öffnet sich auch das öde Grieskar, der Blick dringt hinauf bis in seine letzten Schuttwüsten, unter dem Gratsattel zwischen der Alpspitze und dem Hoch-Blassen. Und nun ist auch das Ziel selbst wieder in Sicht getreten, das düstere, klüftige Gemäuer, der Doppelkopf des Gipfels – und die südliche Kuppe scheint einen bedenklichen Vorrang zu behaupten! – freilich steht sie uns auch um so viel näher. – Unser Weg führt durch engbegrenzte, saftige Weidegründe, durch hohes Gras und Kraut zwischen gewaltigen Blöcken, die von der Höhe herabgestürzt; der Name "Die Gasse" ein sehr bezeichnender für dieses schmale, geradlinige Hochthälchen. Sein Hintergrund erst beginnt sich steiler zu heben, der Steig wendet sich linkerseits an die Trümmergehänge unter dem Stuibenspitz*) und biegt in enge Scharte ein, die eine künstlich aufgerichtete Mauer versperrt. Mit Zauberschlag verschwindet vor dem Auge die Schranke der Aussicht, über dem grasigen Felsboden steigen die Colosse des Rainthals, Teufelsgrat und Hoch-Wanner, empor, im fernen Südwesten blinkt der Plattacher Ferner. Greifbar nahe erscheinen die Trümmerkessel des Oberrainthals, der Hundsställe; in schattig blauem Dufte dämmert tief unten das Partnachthal.

*) Die Höhe desselben mag etwa 6100' 1982 m., die Höhe der Scharte "An der Mauer" ca. 6000' 1950 m. betragen.

Und wenden wir uns, da schweift das Auge hinaus, weit über die Ebenen hin bis an die winzigen Wellen der Horizontlinien, welche die Höhen des fränkischen Jura, des bayerischen Waldes bezeichnen. Mit dem Fernglase zeigte ich meinem Führer die Thürme Münchens und nachdem wir den Punkt, wo sie erscheinen, genau erkundet, gelingt es sogar dem unbewaffneten Auge, sie zu erkennen. Ein herrlicher Tag zur Ersteigung einer herrschenden Gipfelhöhe! – wenn nur die herrschende auch glücklich erreicht wird!


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Letzte Aktualisierung am 25. April 2021

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