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Home XXV. Der Waxenstein; aus dem Höllenthale an den Eibsee Entdeckung des wahren Waxenstein-Gipfels Das Ziel und seine Aussicht: der Eibsee
 H. v. Barth: Aus den Nördlichen Kalkalpen (1874)
 V. Aus dem Wetterstein-Gebirge [geographische Bezeichnungen sind noch nicht überprüft]
 XXV. Der Waxenstein; aus dem Höllenthale an den Eibsee

Kleine Hochkare, Kluft und Platthänge

In steilen Schuttrinnen hinunter zur tiefen Mulde, quer durch alle Plattenrunsen, die nach dem Centrum des Kares zur trümmererfüllten Schlucht zusammenstrahlten, und wieder hinauf zum Scheitel einer neuen Zweigrippe; jenseits derselben neuerdings auf eine schmale Einsenkung, geschlossen von einem zackig vorspringenden Felsriffe. Zu neuem Abstiege genöthigt gewinnen wir eine Durchgangsscharte dieses letzteren, wieder tiefer liegt ein wüstes Trümmerbecken, dessen jenseitigem Rande die gewaltige Felsmasse entsteigt, die vom Waxenstein-Gipfel sich herabsenkt, aus welcher abgesprengte Mauerzacken gleich isolirten Thürmen sich abschneiden – hier ist es mit dem Quergange übre die Gebirgsflanke unwiderruflich zu Ende. Zu unserer Linken ist das wirre Geklüft und Gezacke zurückgetreten. Ein zusammenhängender, steiler Felshang baut zum Grate am Fusse der Waxenstein-Kuppe sich hinan; ein prüfender Blick über seine schrägen Gesimse, seine Absätze und Terrassenstufen, die Furchen, welche sie durchschneiden – und mein Parere lautet: "Wir kommen hinauf!"

Noch einmal die bittere Pille des Absteigens, wenn man der Gipfelhöhe zustrebt! Aus dem Trümmerkare am Fusse unseres Felsriffs wird sofort die grösste, mitten durch's Gehänge hinaufschneidende Kluft gefasst, ihre plattige, aber gestufte Sohle bringt uns rasch empor, bis eine Einschnürung derselben, gesperrt von einer blanken, gewölbten Felstafel, uns Halt gebietet und uns auf den plättigen Steilhang zur Rechten hinausdrängt. Hier gab es wohl einige schlechte Stellen zu überwinden, ich fordere auch meinen, nicht mit Eisen versehenen Begleiter wiederholt auf, zurückzubleiben, falls es ihm zu bedenklich werde, davon wollte aber jener durchaus nichts mehr wissen; auch lag das Schlimmste nun bald hinter uns. Rippiges, mit kleinen Grasschöpfen besetztes Terrain, wie wir am Gehänge des Hinteren Höllenthales es getroffen hatten, begünstigte unseren Anstieg; zwischen den Plattenabsätzen und Zackenreihen umher irrend, die engen Längsfurchen des Gesimses bald verfolgend, bald überquerend, kamen wir zuweilen der rechtsseitigen Kante des Terrassen-Massivs nahe; in eine schauerlich tiefe Wandkluft blickten wir dort hinab, sie trennte unseren Boden noch von den nahen Gipfelbauten des Waxenstein. Hatte ich gleich das Terrain, auf welchem wir nunmehr uns befanden, mit richtigen Blicke als gangbar beurtheilt, die Durchspaltung des Gebirges war von mir übersehen worden und sie stellte ein letztes Fragezeichen auf die Linie unserer Ersteigung. Doch auch dieses fand seine Lösung; in höchster Zone dreht die Kluft in den Körper des Gipfels selbst sich hinein, die Gras- und Schuttplätze an seinem Fusse stossen unmittelbar an die Plattwände und eine schmale Geröllrinne weist zwischen ihnen hinauf die Bahn. Mühsam, und doch in beschleunigtem Tempo ging's dem Kammscheitel entgegen, zum zweiten Male an diesem Tage erblickten wir das Spiegelbild unseres Felsenkammes im tiefblauen Eibsee; zwei Minuten später standen wir auf dem Gipfel des Waxenstein (7138' 2319 m. Walther). Es war 4 Uhr Nachmittags.

*) 6922' 2249 m. Sendtner, 6952' 2258 m. Lamont. Namentlich die Vegetations-Verhältnisse des Gipfels, beziehungsweise das Ersterben fast aller Vegetation auf seinem Scheitel bestimmen mich, der höheren Messung den Vorzug zu geben. – Nach letzterer sind auch die Höhe des Hinteren und Vorderen Waxensteins abgeschätzt, wie sie im Profile sich eingezeichnet finden.


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Letzte Aktualisierung am 25. April 2021

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