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Home XXV. Der Waxenstein; aus dem Höllenthale an den Eibsee Weidegrund im innersten Höllenthal Die Mittelzone des Waxensteinkammes
 H. v. Barth: Aus den Nördlichen Kalkalpen (1874)
 V. Aus dem Wetterstein-Gebirge [geographische Bezeichnungen sind noch nicht überprüft]
 XXV. Der Waxenstein; aus dem Höllenthale an den Eibsee

In's Schönkar

An meinen Führer in's Höllenthal, der an der Expedition immer grösseres Interesse zu nehmen begann, stellte ich lediglich die Anforderung, mir den Schafsteig in's Schönkar und weiterhin in die Grasplätze des Waxensteins hinein zu weisen, mit der Ersteigung des letzteren wollte ich dann schon allein zurecht kommen; er erklärte jedoch, mich begleiten zu wollen, so lange es nicht Dreithorspitz-artig zugehe – meine Ersteigung dieses gefürchteten Gipfels war wenige Tage vorher ausgeführt und in den Bergen bereits ruchbar geworden – indem er beifügte, dass er noch nie grössere Bergtouren, als sein Geschäft erfordere, unternommen und auch kein Steiger ersten Ranges sei; eine Offenheit und Anspruchslosigkeit, welche gegen das Verhalten der Partenkirchener Führer ebenso vortheilhaft abstach, als seine nachherigen Leistungen gegenüber denen der genannten Innung*).

*) Die Unwissenheit der Partenkirchen-Garmischer Führer über Alles im Wetterstein-Gebirge, das nicht Alpspitze oder Zugspitze heisst, habe ich in meinem Aufsatze "Die Dreithorspitze", Zeitschr. d. D. u. Ö. A.-V., Jahrg. III, H. 1, in grellen Zügen beleuchtet. Die Gerechtigkeit erfordert, nunmehr auch hervorzuheben, dass als nächste Folge dieses scharfen Tadels eine gewisse Rührigkeit unter die dortige Führerschaft gekommen ist und namentlich Johannes Koser von Garmisch einige bedeutendere, zum Theile neue Touren im Wetterstein-Gebirge zur Ausführung gebracht hat. Immerhin bliebe diesen Leuten in den Bergen ihrer allernächsten Nachbarschaft noch viel zu thun übrig und wünschte ich im Interesse der bergsteigenden Welt, dass die Partenkirchener Führer die in meiner Entgegnung auf eine missliebige Redactions-Anmerkung zu meinem erstgenannten Aufsatze (Ztschr. d. D. u. Ö. A.-V., Jahrg. III., H. 2) gestellten Fragen sich noch wiederholt vorlegen möchten.

Ueber die untersten, krummholzbewachsenen Stufen, deren Felsmassen nicht selten durch tiefe Spalten sich von einander trennen, leiteten uns noch schwache, häufig sich verlierende Spuren eines Pfades; im buschfreien, berasten Gehänge war bald jede Fährte entschwunden. Wir stiegen das Steilgehänge in möglichst gerader Richtung an, nach Thunlichkeit an die grasreicheren Stellen uns haltend, welche jedoch nicht selten durch gürtelförmige Mauerabsätze völlig unterbrochen werden. Ohne gerade hervorragende Schwierigkeit zu bieten, da mit seltenen Ausnahmen sichere Tritte in reichlicher Auswahl geboten waren, machte dieser Gang auf eine kleine Stunde lang aufwärts einen ausserordentlich luftigen Eindruck und erinnerte mich mehr als irgend welche andere Bergtour, deren ich mich zu entsinnen wusste, an die Ersteigung der Höfats im Algäu. In ungefähr der Mitte des stärksten Gefälles sperrt eine Mauerschranke von etwa 20 Fuss [6 m] Höhe das gangbare Terrain in schräger Linie völlig ab; wir verfolgten sie bis in den Winkel, welchen sie, mit einem breiten Felsmassive zusammenstossend, bildet und trafen hier auf eine eingerissene, schiefe Kluft, welche die Ersteigung ermöglichte. Es ist dies die einzige Stelle, welche einige Vorkenntnisse der lokalen Verhältnisse erheischt; im Uebrigen vollzieht sich der Anstieg in völlig natürlicher Weise und wäre von jedem geübten Bergwanderer ohne Schwierigkeit zu finden und auszuführen.

In beträchtlicher Höhe über der Thalsohle erst beginnt die Bergflanke sich zu verflachen und mit zusammenhängendem Vegetationskleide sich zu überziehen. Langgedehnte, schwachgehobene Terrassenstufen wurden von uns in gerader Anstiegslinie überwandert, um die breit vortretende Bergecke uns wendend, gelangten wir, 1 Stunde nach Verlassen des Höllenthales, in den flachen Boden des Schönkars. Seine Schutthalden strecken sich hinauf bis zu einer starken Depression des hier fast geradlinigen Kammscheitels. Im Rücken hatten wir die Riffelspitzen gelassen, einen vielrippigen, zackenreichen Felsenstock; vor uns erhob sich, ebenfalls als schroffes, doch nicht absolut felsenkahles, von zahlreichen Runsen durchklüftetes Massiv, der erste der Zacken des Waxensteinkammes, in horizontaler Linie noch weit abstehend vom Eckpunkte des Gebirges.


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Letzte Aktualisierung am 25. April 2021

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