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Noch mächtiger als das Vomper Gebiet nach Nordwesten ausgreifend, umfaßt das anschließende Gebiet von Eben den ganzen Nordosten des Karwendels vom Rißbach und Engtal in seinem Bereich zusammen. Ursprünglich war das freilich nicht der Besitz des unbedeutenden, erst 1260 genannten Weilers, sondern der Anteil, den sich die Talorte im Gericht Rottenburg (bei Jenbach) ausmarkten8) – fast bis zum Isartal hin, da von dem in vordeutscher Zeit fast siedlungsleeren Isarwinkel aus vom Gebirge nicht Besitz ergriffen wurde. Auch hier muß die Ausbreitung alten Almwegen gefolgt sein, vordeutsche Namen weisen die Richtung. Der eine ging durchs Falzturn zur Gramei-Alm und zum Grameijoch. Falzturn, um 1500 Valsturns, muß wohl nach seiner starken Krümmung benannt sein, rom. val de exturnu, sturnu (stornar in südtirolischen Mundarten= "drehen", "krümmen"). Gramei, noch 1669 "Gramein", wird zunächst der Name der schon von Natur waldfreien Hochalm gewesen sein, ähnlich wie Gumpen ursprünglich nur die Hochalm G. bezeichnete, die Plätze für die heute damit zusammengehörigen Niederalmen (Niederleger) mußten erst gerodet werden; der Name stellt sich zu rom. grumus "Haufen, (Heu-)Schober", davon abgeleitet "grumine(s)" Schöberlen, "Dristen".
Gegen Nordwesten leiteten vom Achensee die Jöcher von
Plums und Schleims ins Almgebiet. 1493 und noch viel
später heißt der eine Name Plunns, Pluns
– wenn je, dann stimmt zu der weiten, ebenen Hochfläche der
Plums-Alm die Erklärung, die von der Sprachform ausgeht: rom.
planu "auf der Eben"...; auch am benachbarten
Kompár gab es schöne Weideflächen, die eine
Benennung "Feldberg" vom rom. campu
"Feld", (mont) "campària"
rechtfertigten. Ins Quellgebiet des nachmals Durrach (d.i.
"dürrer Bach", "Trockenbach") genannten
Zuflusses der Isar führte der Sattel von Schleims; noch
um 1500 lautet das Wortgebilde Schleims volltönender
"Sachslen" (d.i. wohl =
"Sachsléin"), d.i. rom. saxell-ines,
zu saxum "Fels" = "bei den kleinen
Felsen", "Schröflen". In den einsamen
Talgründen "bei den Bächen" (Bächental) hat
sich auch sonst noch manch alter Überrest erhalten. Aus einem
zwar wohlklingenden, aber durchaus nicht so phantastischen Alm- und
Karnamen vordeutscher Abkunft, nämlich Montschein, hat die
fehlgegangene Einbildungskraft der Geometer ein
"Mondscheinkar" (M.-Spitze) gemacht; zugrunde liegt
aber ein einfaches romanisches monticinu "Bergl"
("Berg" im Sinne von Bergweide).
Aus Fonsjoch (richtiger Fansjoch)
Fansalm, Fansbach – dieser schon um 1450
"Vonsache" genannt –, schält der
Sprachforscher, auf Grund der Aussprache fonns (nicht etwa funs) eine
vordeutsche Grundlage "vannu" heraus,
gleichbedeutend mit "flaches Gefäß",
"Futterschwinge", mit deren Form das Tal verglichen sein
mag9).
Ganz wie am Westrande des Karwendels, bei Scharnitz, ist auch hier im Osten der geräumige Talboden, von dem sich die Täler ins Gebirge hinein verzweigen – wohl auch infolge dichter Bewaldung – erst spät genutzt und benannt worden, wahrscheinlich im Zug der mittelalterlichen Schwaighofsiedlung, die auch ungünstige Lagen aufsuchte. Ein Baiware mit dem alten, schönen, heute verklungenen Namen Peradeo, Peredie, hat der Rodung Pertisau, 1380 Perdissaw den Namen "Au des Peradeo" gegeben. Auch die weit verstreuten Bauernhöfe im Achental nördlich des Sees zeigen durch ihre Siedlungsform und ihre Namen, daß erst deutsche Bauern unter Führung von Grundherrschaften (hier des Stiftes Georgenberg) gerodet haben. Und doch erinnern im Gebirge westlich davon Namen daran, daß Almwirtschaft auch hier schon vorher heimisch war, Pasill, Kristlúm, Zißlerúm, das sind keine deutschen Klänge! (Pasill = pusilla (alpis) = "dürftige, kleine Alm"; Kristlúm = crilone "Alm bei den kleinen Kämmen"; Zißlerúm, 1723 Ziserum = caesurone "großer Zaun"). Und bis nach Tölz hinaus blickt der Juifen (1348 Jeufenspitz), an Zeiten erinnernd, wo Almleute fremder Zunge aus dem Walhogoi (763), heute Walgau, dem Bach "Walchen" (1430 Walichach, "Walchenbach") entlang aufwärts ziehend, in ihrer Sprache ihn "Jovu" oder "Jëuf" = "Bergjoch" genannt haben (rätoromanisch jovu = Joch).
8) Noch 1500 und später galt als Recht, daß die Einwohner von Wiesing bei "Uerleug" und "Landprest", d.i. Krieg und feindlichem Einfall, ihr Vieh nach Pertisau, Falzturn und Schleims flüchten durften, hinwiederum die Pertisauer zur Schneeflucht ins Wiesinger Gebiet kommen durften – als Insassen des gleichen Gerichts, wie betont wird Ldb. S. 188. "Schneeflucht" = Abtrieb des Almviehs bei Schneefall.
9) Die "Hohe Gans", der Felszacken am Fonsjoch, ist wahrscheinlich entstellt "Hohe Fans".