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Home VII. Das Haagen-Gebirge Erstes Auffinden und Verlust des Pfades. Ueber dem Bärensunk. Am Ostfusse des Kahlersberges. Der "gedaubte" Pfad Zur Priesberg- und Königsbachalpe
 H. v. Barth: Aus den Nördlichen Kalkalpen (1874)
 I. Aus den Berchtesgadener Alpen
 VII. Das Haagen-Gebirge

Passhöhe gegen das Seelein; eine andere Welt

Um 4 Uhr standen wir in einem steinigen Alpboden, am Fusse des letzten Bergriegels. Der Viehsteig, welche die Hochseeleinalp [Hinterschlum-Alm?] im Schlummthale mit der Seeleinalp auf bayerischem Boden verbindet, führt uns auf die Passhöhe [Hochseeleinscharte oder Soienscharte] – eine Viertelstunde darauf sahen wir die gewaltige Masse des Watzmann, die Pyramide des Hundstod vor uns emporsteigen. Tief unten im dämmernden Schatten eines gerundeten Bergkessels ruht das Seelein Seeleinsee mit den zwei winzigen Alphüttchen an seinem Ufer (5615' 1824 m. Keil [1809 m]; die Höhe des Passes ca. 6100' 1950 m [1995 m]).

Und nun ging's ratsch zu Thal, auf gebahntem Pfad, auf freiem Boden. Steile Sandreissen hinunter und das nördliche Gehänge des Kessels entlang führt der Steig; rechts öffnet sich ein enges Schuttthal, eine Wegspur in demselben weist nach der Reinersbergalpe hinauf; wenige Minuten darauf schliesst es sich wieder, der Fagstein ist an unsere Seite getreten. An den Nordwänden des Kahlersbergs vollführen die Gemsen, die wir zuletzt rudelweise dort hinaufgesprengt, ein entsetzliches Gelärm und Gepolter; ganze Centnerlasten müssen jetzt unter ihrem flüchtigen Hufe weichen und stürzen. Wer jetzt gerade unter der Hochg'stellwand sich befände, der möchte seine geraden Glieder wahren! –

Wo sie jetzt ihr Unwesen treiben, dort steht auch eine Erinnerung für mich am Felsen eingegraben; dort habe ich zum ersten Male mit eigenem Fusse das versucht, was ich mit eigenem Auge für ausführbar gehalten. Ein Führer hatte auf den Kahlersberg ein erstes Mal mich begleitet, mit tiefem Umweg in's Landthal hinab hatten wir ihn erstiegen; ich hatte sofort vom Geröllsattel über dem Seelein ansteigen wollen, er aber erklärte das für unmöglich. Acht Tage darauf kam ich über die Gotzenthalwand daher spaziert und stieg geraden Weges in den Sattel hinunter und jenseits ebenso geraden Weges auf den Kahlersberg hinauf. – Jetzt sah ich wieder hin nach der Stelle jenes ersten Erfolges. Hübsch steil ist es hüben wie drüben. Was ein guter Haken werden will, krümmt sich bei Zeiten! – Fünf Jahre sind seitdem verflossen. Sie haben manches Unmögliche möglich werden sehen.


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Letzte Aktualisierung am 25. April 2021

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