[Kalkalpen-Startseite] [Vorbemerkungen (bitte zuerst lesen!)] [Stichwortverzeichnis] [Impressum] [Kontakt]
Home IV. Der Hochkönig auf dem Ewigen Schnee Auf der Urschlauer Scharte; misslungener Angriff von der Westseite [1868] Ueber den Filzsattel in's Dientener Alpenland
 H. v. Barth: Aus den Nördlichen Kalkalpen (1874)
 I. Aus den Berchtesgadener Alpen
 IV. Der Hochkönig auf dem Ewigen Schnee

Abstieg nach Hinterthal

Schwach nur zeichnet eine Pfadspur im kümmerlich begrasten Gehänge sich ab; von der Gebirgsschneide mich entfernend, sah ich deren starre Häupter bald in weitem Halbkreise mich überragen, düstere, zerklüftete Gestalten, gelb, roth und braungefleckt und geflammt, lichte Scharten zwischen ihren Zacken und dunkle Schlünde, von zahnigen Riffen eingerahmt; aus steilen, engen Trümmerkaren sammelt in diesem Kessel der Urschlauerbach [Urslauache] die Wasseradern seines Ursprungs. Zur Linken hatte ich die Westfront der Uebergossenen Alp, ein zackiges und doch compakt-steiles Gemäuer; in bedeutender Tiefe erst löst aus seinem kahlen Felsmassive der rasch sinkende Zweigkamm der Lausköpfe sich ab, der mit den weichgeformten Höhen des jenseitigen Thonschiefergebirges den äussersten und zugleich mächtigsten Vertreter der Kalkalpenwelt verbindet; seine tiefste Depression, der Filzsattel, östlich von Hinterthal, scheidet die Bäche der Urschlau [Urslau] und des Dientenerthales und mit ihnen die Wassergebiete der Saalach und der Salzach.

Breite Terrassenscheitel, welche aus der Bergflanke sich herausflachen und mit Wandstufen zu grösserer Tiefe abbrechen, sperren an der oberen Grenze des Krummholzes fast die ganze Quere des Thalkessels an der Urschlauer Scharte [Torscharte]; ich hatte diese Unterbrechung des Terrains seit längerer Zeit bereits wahrgenommen, und wurde es mir daher auch nicht schwer, die richtige Weglinie im Voraus zu bestimmen, auf welcher ich dann auch sehr bald auf wohlgebahnten Pfad traf; er wendet sich in ziemlich weitem Bogen nach der rechten Seite, wo die tiefsten Wasserrunsen des Urschlauer Baches herabkommen, breite Schuttlehnen die Krummholzbetten durchziehen; in kleinen Zickzacks leitet er über starkgeneigtes, vielfach geripptes Gehänge hinunter zum Thalboden; rückwärtsblickend sehe ich über mir in stolzer Reihe die Randgipfel der östlichen Hälfte des Steinernen Meeres, über dessen Hochfläche ich in den Vormittagsstunden dahingewandert bin; die Zinnen nächst der Urschlauer Scharte [Niedere Torscharte], westlich davon das enge Felsenthor der Hinteren Urschlauer Scharte [Hintere Torscharte] (wahrscheinlich ungangbar) – Althaus (6846' 2224 m.) [Marterlkopf, 2444 m], Brandhorn (7539' 2249 m.) [2610 m], Wildalmer Kirche [Wildalmkirchl] (vermuthlich identisch mit "Scheere" der Keil'schen Karte), Poneck 7890' 2563 m [Ponegg, 2560 m; auch: Bonegg], Hochstreif 7921' 2573 m. [2542 ,], Selbhorn 7942' 2580 m. Keil [2643 m] *) und im äussersten Westen über den Ausläufer des Selbhorns herüberblickend, ein schlankes Horn, die Schönfeldspitze (8163' 2652 m.) [2653 m] oder vielmehr, da wir jetzt im Pinzgau uns befinden, pinzgauerischer Benennung nach, der Hochzinken oder Freidhofzinken.

*) Die Scharte zwischen beiden, von der Keil'schen Karte zu 7108' 2309 m. angegeben, scheint einen gangbaren Pass nach dem Steinernen Meere (zunächst der Hinteren Wildalm) zu eröffnen. [Wasserfallscharte, 2423 m]
{Die Schere [AV-Karte: Kleine Schar] ist eine eigene Randerhebung westlich des Wildalmkirchls.}

Schwere Wetterwolken ballten um diese Felsenpyramiden sich zusammen und hingen sich fest in ihren Scharten; es war für mich hoch an der Zeit, ein schützendes Obdach zu erreichen, bevor das regelmässige Nachmittagsgewitter jener Tage zum Ausbruche kam. Auch der gewonnene Thalgrund zeigte noch ziemlich beträchtliche Senkung und weitere Erstreckung, als ich von der Bergeshöhe aus ihm zugemuthet hatte; an den leerstehenden Hütten der Kühalpe (3857' 1253 m. Keil) vorüber erreichte ich die freien Thalwiesen, eine Brücke leitete den Weg auf das linke Ufer des Urschlauer Baches [Urslauache] über, der seine bereits vereinigten Gewässer in ziemlich tief eingerissenen Graben dahinführt; bald darauf begrüssten mich die ersten Häuser von Hinterthal Hintertal und zwei Stunden nach dem Verlassen des Gebirgskammes war ich am Wirthshause, im oberen Theile des ziemlich zerstreut liegenden Ortes angelangt (3155' 1025 m. Keil). Wenige Minuten später war der Platzregen auch zur Stelle.


Copyright © https://alpinhistorie.bergruf.de/barth/kalkalpen/
Letzte Aktualisierung am 25. April 2021

Home IV. Der Hochkönig auf dem Ewigen Schnee Auf der Urschlauer Scharte; misslungener Angriff von der Westseite [1868] Ueber den Filzsattel in's Dientener Alpenland