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Home Beschreibung einer Tour auf die Südliche, eine Lücke in der Alpenliteratur [1868] Beschreibung einer Tour auf die Südliche, eine Lücke in der Alpenliteratur [1868] Das Wimbachgries und sein Gebirgsrahmen
 H. v. Barth: Aus den Nördlichen Kalkalpen (1874)
 I. Aus den Berchtesgadener Alpen
 I. Die Südliche Watzmannspitze
 Beschreibung einer Tour auf die Südliche, eine Lücke in der Alpenliteratur [1868]

Nachtquartier im Wimbachschloss. Reminiscencen eines Abenteuers in den Felsgräben des Palfenhorns

Es war eine unruhige Nacht, die ich vom 11. auf den 12. Juli 1868 in der Heustube des Jagdhauses im Wimbachthal verbrachte; schwere Träume drückten meinen Schlaf, Träume von wackelnden Mauerzinnen, vom Fusse wegbrechenden Stufen, überkippenden Schneefeldern, vom Sturze hinaus in die freie Luft, die mich schwimmend dahin trug, bis dass der weichende Alpdruck mich wieder das Heu an meiner Seite fühlen liess. Und es war wohl etwas daran an diesen Träumen; gestern in den Gräben des Palfenhorns [Palfelhorn] hatte ich einen Sturz gethan über ein paar hundert Fuss hartgefrorene Schneelehne, und, was das Schlimmere war, einen Sturz in Compagnie. Einer meiner Berchtesgadener Collegen wollte mit mir aufs Palfenhorn, wir hatten in einer Firnschlucht an zwei Stunden lang Fussstapfen getreten, bis mein Begleiter plötzlich hinter mir verschwunden war, und im Versuche, zurückzusteigen, ich alsbald ihm nachfolgte. Mit dem Gesicht gegen den Schnee gehalten und die Hände so fest wie möglich eingekrallt, blieb ich in gerader Lage und nahm keinen Schaden, als die rasende Fahrt, eben noch bevor sie zwischen die Felszacken hineinging, in der Randkluft ihr Ende erreichte; aber mit grosser Mühe spedirte ich meinen Gefährten, der bereits ins Ueberschlagen gekommen war und ziemlich übel sich zugerichtet hatte, den Rest des Firnfelds hinunter und zum Wimbachthale hinaus. Das Palfenhorn, vorher mit Nebeln umhüllt, schaute mit seiner scharfen Spitze recht höhnisch uns nach und gab uns noch weitere Gelegenheit, über unsere Tollheit nachzudenken; denn die Schlucht, die wir angestiegen, erreichte gar nicht den Grat, sondern lief senkrecht unter dem Gipfel in den Steilwänden aus. –

Auf der Landstrasse trafen wir zum Glück ein Fuhrwerk, welches den Blessirten nach Berchtesgaden zurück brachte. Dort war heller Aufruhr; die Kunde: "zwei Praktikanten sind am Palfenhorn abgefallen" war uns, oder vielmehr meinem Unglücksgenossen, wie ein Lauffeuer schon vorausgeeilt. Denn was mich anbelangt, so fiel mirs nicht entfernt ein, nach Berchtesgaden zurückzukehren. Der Abend versprach einen herrlichen Morgen, der Berggipfel, von mir noch unbetreten, standen mehr als genug im weiten Kreise um mich herum. Ich hatte den kommenden Tag besser zu nützen, als Predigten über wagehalsiges Bergsteigen anzuhören, und retirirte, sobald ich meinen Gefährten versorgt wusste, wieder ins Wimbachthal hinein, um im Jagdhause zu übernachten. Und als die Sterne vor dem grauenden Morgen erblichen, spazierte ich, einen Fuss etwas schleppend, wieder dem hinteren Wimbachgries entgegen. Meine erste Absicht, das Palfenhorn sofort von Neuem anzupacken, war aufgegeben; dass seine künftige Ersteigung nicht in Frage stehe, sobald der Grat erreicht, lag klar vor Augen, und der Weg nach letzterem war in der breiten, gewundenen Schneestrasse des [Loferer] Seilergrabens, westlich vom Gipfel, klar genug vorgezeichnet. Der vielversprechende Tag sollte vielmehr auf eine Spitze von höherem Range verwendet werden, und dazu war die Südliche Watzmannspitze ausersehen.


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Letzte Aktualisierung am 25. April 2021

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