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Home XV. Der Grosse Speckkarspitz in der Hallthaler Kette Anstieg am Felsen; Schneerunse, Plattschichten, Schnee als Geländer Umfassende Rundschau
 H. v. Barth: Aus den Nördlichen Kalkalpen (1874)
 III. Aus dem Nord-Innthaler Gebirge [Karwendel/Mieminger Gebirge] [geograph. Bezeichnungen noch nicht überprüft]
 XV. Der Grosse Speckkarspitz in der Hallthaler Kette

Grat und Gipfel [der Großen Speckkarspitze]

Ich mochte bereits bis über die Mitte der Bergflanke hinaus gegen Westen vorgedrungen sein, als endlich das mauerversperrte Terrain sich zu lichten begann; einige Schneefelder schräg hinansteigend gelangte ich nun auf breitere Schuttterrassen, nur von einzelnen, niedrigen Gürtelmauern noch durchstrichen. Auch gegen Westen öffnete sich nun freier Ausblick und freudig begrüsste ich das Wiedererscheinen der westlichen Speckkar-Kuppe, deren ausgezackter Kamm bereits tief unter mir lag. Noch war manch' glatter Absatz zu erklettern, noch verrieth häufig genug ein knirschendes Zurückgleiten des eingesetzten Eisens, dass unter der trügerischen Schuttdecke der Boden nicht geheuer, aber breiter dehnt mit jedem Schritte das Gerölle sich aus, loser thürmen Schrofen und abgerissene Trümmer sich über einander, in naher Höhe winkt das gelbe, zerschartete Gemäuer des Gipfelscheitels.

Eine letzte Runse zersplitterten Gesteins hinan, und die Zacken erfassend schwinge ich mich empor zum Grat; – drüben stehen in geschlossener Colonne die starren Riesen des Rosslochs und Grubenkars, der nächste, unter dem schweren Fusstritte weichende Stein fliegt bereits zur düstern Tiefe des Vomperthals hinunter. Und nun in eilenden Sprüungen die ostwärts noch steigende Schneide hinan, ihre Blöcke, ihre Thürmchen und Klippen übersetzend, erklimmend, auf engen Galerieen umgehend, – in sicherer Balance aufgewehte Schneefirste überschreitend – jetzt oben! ....... nein, noch eine Strecke verwitterter Zacken, abgerissener, geborstener Schrofen, gesprengter Treppenabsätze – will etwa der widerhaarige Geselle auch jetzt noch gegen das aufgezwungene Joch sich sperren? – Vergebens, unter den unerbittlichen, kreitschenden Einstossen der Eisenklauen sinken seine morschen Bollwerke eins nach dem anderen zurück in die Tiefe – ist das wohl endlich dein letztes, Unbezwinglicher? – Die rissige Klippe hinauf – ja, es ist's. Auch jenseits sinkt der Grat, links, rechts, sinken seine Flanken, und rückwärts sinkt die Zackenschneide, die ich heraufgeklommen. Das stolze Felsenhaupt hat sich gebeugt vor seinem Meister; und ein schmetternder Jauchzer fliegt durch die öden Kare und bricht sich hundertfach in den klüftereichen Mauern, und drunten im tiefen Thale knallt noch Pöller und Pöller – als gälte es jetzt mir, auf der allherrschenden Zinne.


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Letzte Aktualisierung am 25. April 2021

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