[Kalkalpen-Startseite] [Vorbemerkungen (bitte zuerst lesen!)] [Stichwortverzeichnis] [Impressum] [Kontakt]
Home XIV. Das Hohe Brandjoch bei Innsbruck Gewissenhaftigkeit eines Schuhkünstlers XV. Der Grosse Speckkarspitz in der Hallthaler Kette
 H. v. Barth: Aus den Nördlichen Kalkalpen (1874)
 III. Aus dem Nord-Innthaler Gebirge [Karwendel/Mieminger Gebirge] [geograph. Bezeichnungen noch nicht überprüft]
 XIV. Das Hohe Brandjoch bei Innsbruck

Abstieg durch den Höttinger Bach und Rückkehr zur Innstadt

Wolken hatten mittlerweile den ganzen Himmel umdüstert, das Gewitter hielt sich jedoch in den Centralalpen und sendete nur einzelne Sprüh-Regen meinem Gebirge zu. Ich überschritt die Kluft, durch welche der Pfad mich herübergeleitet, dachte den weiteren Abstieg jedoch abzukürzen, indem ich alsbald im nächstfolgenden Grbaen dem Höttinger Bache zuzusteuern begann. Von beherrschender Gipfelhöhe aus gesehen scheinen diese Gräben alle breiten, buschumsäumtne Strassen gleich das Berggehänge zu durchziehen, es verbergen sich aber die unterbrechenden, nicht sonderlich hohen, aber meist überhängenden Mauerstufen ihrer Sohlen. So stand ich denn bald genug an der Kante einer unterhöhlten Felswand von 20-30' [7-10 m] Höhe, musste auf den eindämmenden Bergrücken zur Linken ausweichen, dort im dichten Gestrüppe einen Weg mir bahnend, bis Gelegenheit zum Eintritte in einen neuen, tieferen Graben sich erbot.

Ein schmaler, häufig abgerissener Steig leitete an seinem östlichen Gehänge hinaus, ziemlich hoch über dem rauschenden Gewässer, der stärksten Quellader des Höttinger Baches. Schwarzgestriemte Felsmauern ragen zur Linken auf, höher und immer höher thürmen sie sich gegen den Ausgang der Schlucht, wo finstere, von isolirten Pfeilern getragene Höhlen ihren Fuss untergraben, das Wildwasser zwischen haushohen Blöcken dahinschiesst, über die vorragendne Felsbänke seines Bettes sich hinabstürzte, und hoch über seinen Strudeln der Pfad an den Graslehnen unter den Wänden, über weisse Schuttriesen dahinzieht. Mit seiner Biegung um eine stumpfe, abgerundete Ecke ändert sich rasch das ganze Bild. Die schroffen, unterwölbten Mauern schliessen den Bergrücken selbst, welcher die Bach-Schlucht von der grünen Sohle des Höttinger Grabens trennt; der Boden verflacht sich zur steinigen Weide der Unteren Höttinger Alpe. Hinaus leitet der Karrenweg auf die Terrassen des Innsbrucker Mittelgebirges. 4 Stunden angestrengten Steigens hatten mich von der Gipfelhöhe des Brandjochs, vom Höttinger Solstein herunter in's Weichbild der Innstadt gebracht.

Der buschfreie Scheitel eines der bastionartig vorspringenden Schuttkegel liess mich in ihre Strassen, auf ihre Plätze und Gartenanlagen hinunterschauen, zugleich das Untere wie das Obere Innthal auf weitere Entfernungen hin überblicken. Auf dem Berg Isel promenirt die elegante Welt, die abendliche Luftströmung trägt die Musik-Klänge des Kaiserjäger-Regimentes zu mir herüber; die frischen Weisen der "Schönen blauen Donau" geleiten mich hinab an den Strand des Inn und in's bescheidene Gaststübchen zurückgekehrt, registrire ich die Ergebnisse meiner ersten Gipfelwanderung in seinen Bergrevieren.


Copyright © https://alpinhistorie.bergruf.de/barth/kalkalpen/
Letzte Aktualisierung am 25. April 2021

Home XIV. Das Hohe Brandjoch bei Innsbruck Gewissenhaftigkeit eines Schuhkünstlers XV. Der Grosse Speckkarspitz in der Hallthaler Kette