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Home XIX. Der Grosse Karwendelspitz [Östliche Karwendelspitze] Der Schlichtenkarspitz Eine Woche erfolgreicher Kreuz- und Querzüge
 H. v. Barth: Aus den Nördlichen Kalkalpen (1874)
 IV. Aus dem Quellen-Gebiete der Isar [Karwendel] [geographische Bezeichnungen sind noch nicht überprüft]
 XIX. Der Grosse Karwendelspitz [Östliche Karwendelspitze]

Abstieg zur Hoch-Alpe

Es war bereits halb 6 Uhr abends, als ich von diesem letzten Gipfelpunkte aufbrach, zur Heimkehr. Einen kürzeren Rückweg, als über den Scheitel des Vogelkarspitzes einzuschlagen, stieg ich vom Schlichtenkarspitz gerade abwärts, wandte mich sodann links und kreuzte einige hochgelegene, plattige Mulden. Am Rande des Schlichtenkars angekommen, fand ich mich durch Steilabstürze wieder aufgehalten und zu tieferem Absteigen genöthigt, wobei ich auch bald eine gangbare Verbindungslinie traf. Nachdem ich auch diese Mulde durchquert, verfolgte ich am südöstlichen Absenker des Vogelkarspitzes, von ihn hinab in's Vogelkar, und quer durch dieses nach dem Fusse des Karwendelspitzes wieder ein Stück meiner früheren Weglinie. An den Wandstufen des Karwendelspitzes aber hielt ich mich alsbald an das im Herüberwege beobachtete Steiglein, welches, um die untersten Ecken der Schrofen sind windend, bequem auf die Südflanke des Bergmassivs mich hinüberleitete. Seine Fortsetzung schien gleichwohl meinen Absichten nicht völlig zu entsprechen, sie wies zu gerade, in zu hochgehaltener Linie in die Wände hinein. Nochmals eine beträchtliche Strecke gerade absteigend, über Geröllriesen und krummholzfreie, steinige Plätze, kreuzte ich einen in tieferer Zone laufenden Pfad, welcher sanft absinkend durch alle Gräben der Bergflanke und zuletzt zur Hochalpe mich zurückführte.

Die Uhr zeigte sieben, die Sonne begann hinter dem Horizonte sich zuzusenken; doch war's kein schöner Untergang und keinen schönen Aufgang versprach dieser; die Tagesgewölke hatten im Westen zu eintönig düstergrauer Wand sich zusammengeschoben, durch ihre Risse nur leuchtete die Glut des Abends hervor. Ich überstieg den flachen Bergsattel und wanderte zum Niederläger [Niederleger] hinab, den ich nach einer halben Stunde erreichte. Dem Abendschmause an der gemeinschaftlichen, mit Mehlbrei gefüllten Pfanne folgte im offenen Kuhstalle, dessen Inwohner mit ihren respectiven Halszierden ein heilloses, nimmer endendes Geschelle verübten, eine schlaflos, entsetzlich lange Nacht.


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Letzte Aktualisierung am 25. April 2021

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