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Nachdem ich etwas geschlafen und hierauf gut gefrühstückt hattte, spazierte ich Vormittags hinaus nach der Innbrücke und besah mir die Gebirgsumgebung. Da standen sie, gewaltig, gross, mauerglatt, in langer Reihe aufmarschirt – ich hatte nur zu wählen, mit welchem unter ihnen ich am folgenden Tage anbinden wolle. Das freie, und noch sicherer das bewaffnete Auge sagte mir, dass ich an jedem der drei Gipfel, die ich in den nächsten Tagen zu ersteigen gedachte, vor Allem auf die, noch stellenweise bewachsenen Plätze der höhen Felsregion gelangen und bezüglich des Weges, der übre die unteren Steilstufen mich dorthin emporführe, in den umliegenden Dörfern, eventuell Alpen, mir Rath erholen müsse; dass ich solchen erhalten würde, wenn es mir nur glückte, die geeigneten Persönlichkeiten dazu ausfindig zu machen, stand ziemlich sicher, denn es war kaum daran zu zweifeln, dass diese hochgelegenen Weideplätze noch mit Schafen betrieben würden.
Wohin nun zunächst mich wenden? – ich musste wohl auf gut Glück zugreifen und gedachte denn die einzelnen Gipfel der Reihe nach zu nehmen. Den Hoch-Munde kann ich bereits aus dem Jahre 1871; es traf demnach zunächst die Hochwand*), einen steil trapezförmigen, den Hoch-Munde überragenden Felsstock; auf seinen Besuch mochte dann jeder der Oberen Platte folgen, des langgedehnten, schartigen Rückens, den ich als Culminationspunkt der ganzen Kette taxirte, und wie die Folge ergab, auch mit Recht.
*) Die drei Gipfel des Mittelstocks der Mieminger Kette führen von Süd und von Nord verschiedene Namen. Ich glaube erstere beibehalten zu müssen, die dieselben bereits in die Oesterr. Generalstabskarte übergegangen sind, und der Tourist auch weit eher im Innthale in die Lage kommt, nach diesen Bergen zu fragen, als im Gaisthale. Die synonymen Benennungen mögen hier Erwähnung finden: Hoch-Wand = Nieder-Mundespitz (wohl auch Karkopf, aber fälschlicher Weise, dieser Name bezieht sich auf einen im östlichen Absenkungs-Grate der Hoch-Wand stehenden, ebenfalls signalisirten, viereckigen Nebengipfel). – Obere Platte = Schwarzebachspitz (folgt nun ein minder bedeutender, meines Wissens namenloser Zwischengipfel), – Hohe Griesspitz = Hoch-Platte oder auch Obere Platte (vielleicht Resultat einer Verwechselung mit der wirklichen Oberen Platte).
Der Nachmittag war sohin zu einem vorbereitenden Anstiege in die weite Thalung zu benutzen, welche zwischen die Massive des Hoch-Munde und der Oberen Platte sich einbuchtet. Südwestlich umfängt die in weitem Viertelsbogen der Kamm der Judenköpfeln, der von der südöstlichen Fussecke der Oberen Platte sich abzweigt; in ihre Mitte stellt sich der breite, plötzlich steilabbrechende Körper der Hochwand; von seinem Südfusse zweigt sich, ebenfalls erst in tiefer Region ein niedriger, südöstlich verlaufender Grat ab; dieser theilt, während die Hauptbreite der Thalung geradlinig gegen den Nieder-Mundesattel hin verläuft, deren innere, weit gegen Nordwesten gezogene Bucht abermals in zwei kleine Thäler; arm, wie an Wegen und Wohnungen, ist dies Gebirge auch an Namen; das eine Thal, welches mit einem kesselförmigen Kar im Südostfusse der Hochwand endet, führt kurzweg die Bezeichnung "Im Kar"; das andere, das noch etwas kümmerliche Viehweide und eine Hirtenhütte birgt, und dessen Anschlussgrat an die Obere Platte und mit langgezogenen Reissen an die Alplscharte*) zwischen dieser und der Hochwand verläuft, wird unter der ebenso allgemeinen Bezeichnung "Im Alpl" verstanden. Die dünnbewaldeten Wiesen des Thales vor seiner Theilung und geradlinigen Fortsetzung zum Niedermunde-Sattel endlich sind unter dem Namen "In den Mähdern" bekannt.
*) Dieselbe bildet einen – anscheinend nicht ganz leichten – Gebirgsübergang in's Gaisthal, zunächst vom "Alpl" in's Schwarzebachkar.