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Home XXVI. Der Hoch-Blassen Abwärts auf dem Angersteig Am Rande des Vollkars
 H. v. Barth: Aus den Nördlichen Kalkalpen (1874)
 V. Aus dem Wetterstein-Gebirge [geographische Bezeichnungen sind noch nicht überprüft]
 XXVI. Der Hoch-Blassen

Durch das Blassen-Loch auf die Plätze "Am Blassen"

Steiler Anstieg führte uns über grünes, buschiges Gehänge, in welchem die trockenen Rinnsale allmählig sich verlieren; ein tiefer Graben blieb zuletzt allein noch übrig, an dessen Saume wir, einer breitgerundeten Aufdämmung entlang, unseren Weg verfolgten. Den Wänden uns wieder nähernd, sahen wir in weitem Halbkreise sie zurücktreten, eine Trümmermulde umschliessend, in welche die verzweigten Felsrisse aus dem Blassen-Loch herab münden, während eben so vielfach verzweigt viele Runsen aus ihrem Grunde sich sammeln. Im Westen schliesst nun das breit thurmartige Massiv des Blassenkopfes jeden Ausblick. Die Sohle des Kars liessen wir zu Linken und hielten uns hart am Fusse der Felsmauern; sehr schwache, häufig unterbrochene Pfadspuren leiteten uns in weitem Bogen der Mitte des Kessels, der Ausmündung des Blassenlochs zu. Das Fundament der Wände zeigte sich nicht selten von mannshohen, ziemlich tiefen Höhlen unterwölbt; eine derselben bezeichnete mir mein Führer als Schlupfwinkel der Wildschützen, wenn sie im Rainthale ihrem gefährlichen Handwerke nachgehen. Im Grunde dieser Höhle findet sich auch ein frisches, selten versiegendes, wiewohl kaum zolltiefes Wässerchen, das auch wir uns zu Nutze machten; der Wasservorrath, von der Bodenlahn bereits mitgetragen, war nahezu erschöpft, wir sahen uns auf die Schneevorräthe des Vollkars angewiesen.

Von der Schützengufel (so nennt sich diese Höhle) ziehen die Steilwände sich bald stark nach der Höhe zurück, unser Weg kreuzte ein kahles, von zahlreichen Plattenrinnen gefurchtes Schrofengehänge und entbehrte in den fast stufenlosen Grabensohlen mitunter nicht ganz der Schwierigkeit. Nach Uebersetzung eines letzten, tidefen und breiten, dabei sehr abschüssigen Einrisses begann das Emporsteigen im Blassen-Loch. Die Erwartungen, welche ich dem Anblicke nach von dieser Strecke hegte, bestätigten sich zum Theil, wenn auch nicht in dem vermutheten Masse. Die unteren Stufen sind auf den gebrochenen, mit Graspäckchen besetzten Scheiteln vereinzelter, von Trockenrinnen eingefasster Schrofendämme ziemlich leicht zu bewältigen, in der Mitte gestalten die Verhältnisse sich am schwierigsten, der steilplattige, mit feinem Gries-Schotter überdeckte Fels ermangelt der Vegetation völlig und aus seiner Masse sich aufspitzende Klippen hemmen jeden Augenblick die gerade Wegerichtung. In höherer Zone ergibt sich wieder besserer Boden, schuttreiche Gesimse leiten quer durch die Mauern dem Hauptgraben zu, welcher bisher als unnahbare Kluft zur Linken gelegen war, von der Steilwand des Blassenkopfes überbaut; in seiner obersten, sandigen Ausflachung stiegen wir zur Höhenkante des Blassenlochs hinan; es war nahe 9 Uhr, als wir dort anlangten; 2 1/2 Stunden hatte der Weg vom Grat am Hohen Gaif, 5 Stunden vom Rainthaler Hofe ab gewährt. Die erreichte Höhe mochte an 7000' 2274 m. betragen.


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Letzte Aktualisierung am 25. April 2021

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