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Der Pfad des Berglenthales wendet sich links, schlängelt einen kleinen Rasenabhang sich hinauf und durch Krummholz und Laubgebüsche bergan, nicht selten steile Felsabsätze erklimmend. Nach einer Viertelstunde hatte ich wieder eine kleine Wiesenterrasse, wiewohl sehr beschränkten Raumes erreicht, und fand mich hart am Rande der Berglenbachklamm. Auf einen Vorsprung ihres Randes hinaustretend sah ich in den Felsenspalt hinunter, welcher, ohne sonderlich tief zu sein, in solch' bizarren Formen ausgenagt sich zeigt, dass man eher einen Gletscherschrund, denn eine Kluft des Felsgebirges vor sich zu haben glaubt. Wieder wandte der herzlich schlechte, holperige Steig sich der Linken zu und tauchte abermals in's Dickicht der breiten Gebüschfelder, welche, von einzelnen Geröllriesen durchstrichen, das Fundament des Ofelespitzes umkleiden. Von letzterem sah ich nicht mehr als die Felspartieen seines Fusses; sie schienen nicht ganz unangreifbar, jedenfalls boten sie in den mannigfachsten Rippen und Runsen eine sehr ausgedehnte Wahl.
Das Krummholz blieb allmählig zurück, Geröllschütten querend lief der Steig hart an's Gemäuer des Ofelespitzes hin, einige plattige Felsabsätze wurden überstiegen, ich nahte mich dem Höhenrande, welcher bisher den Ausblick mir verdeckt gehalten hatte. Meine Erwartung, mich nun bereits im Berglen-Plattach zu sehen, fand sich getäuscht. Langgestreckte, steinige Rasenhänge dehnten vor mir sich hin, auf freiem Boden verlor allmählig sich der Pfad. Trümmerfelder spitzen sich links hinauf zwischen die Strebepfeiler der Plattacher Wand*).
*) Synonyme Bezeichnung des Ofelespitzes, mehr auf die Felsenhänge, die er dem Plattach zukehrt, als auf seinen Gipfel sich beziehend.
Ich hatte Musse, zu überlegen, was ich zunächst im Berglenthale beginnen wolle. Den Ofelespitz unmittelbar, wie er vor mir stand, anzugreifen, erschein sehr wohl thunlich, doch wusste ich wenig davon, wie über dem untersten Sockel seines Baues die Verhältnisse sich gestalten mochten. Die Wettersteinwand dagegen vermochte mir den ausführlichsten Aufschluss hierüber zu gewähren, von ihrem Scheitel aus mochte ich die Anstiegslinie bis in ihre kleinsten Details feststellen. Und nicht dieser Grund allein war es, der mich bewog, die schwierige Tour in die zweite Linie zurückzustellen. Ich habe stets die Erfahrung gemacht, dass derartige Wagestücke weit besser und sicherer von Statten gehen, wenn mehrstündige Bewegung auf kahlem Gefels bereits einige Stumpfheit gegen seine Erscheinungen bewirkt hat, und mit einem gewissen, selbstverständlich nicht zu hohem, Kraft und Gewandtheit nicht beeinträchtigenden Grade von Ermüdung, Ruhe des Planens und Handels eingetreten ist, welche die Frische und die aufgeregte Spannung der Morgenstunden nicht selten vermissen lässt. Die Wettersteinwand also sollte der Erstling dieses Tages sein – ich hatte während des Aufsteigens durch das Berglenthal Gelegenheit genug gehabt, mir ihre Südflanke zu betrachten. Durch mässig hohe Bergrücken geschieden senken ihre Kare vom Gratscheitel sich herunter, während die Tiefzone steil zum Berglen- und unteren Leutschthale stürzt. Im inneren Berglenthal trennt ein an Höhe fortwährend abnehmender Steilwandabsatz das mehr verflachte, rippige Gehänge von den Sandreissen der linken Berglenthalseite. Ich hatte zunächst das Berglenthal zu kreuzen, jenseits einen ersten Anstieg zu suchen, sodann in langem, schwach gehobenen Quergange in die Kare unterhalb des Gipfels und dadurch auf diesen selbst zu gelangen. Der Weg versprach wenig Schwierigkeiten.