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 Was Karwendelnamen erzählen

Flurnamen und Wirtschaftsweise (Land- und Forstwirtschaft, Jagd, Bergbau)

Noch mehr Bild und Farbe gewinnt unsere Anschauung von Land und Menschen, wenn wir den Flurnamen abzulauschen suchen, was sie uns von der Wirtschaftsweise erzählen, in der der Karwendelbewohner den natürlichen Ertrag des lange gemiedenen, sich selbst überlassenen Gebirgsbodens am zweckmäßigsten zu nutzen versteht. Für die dürftige Ausbeute an Futter, die die trockenen Galtmähder ("galt" = unfruchtbar) auf Kalkgrund liefern, muß ihm der Laubwald aushelfen, wo er das Laub von den Bäumen streift (Stroaftal, -wald, Streafe), oder er treibt das Jungvieh in den Buschwald (= Loach, Lohe, Loachboden) und hütet es in den "Halten", im Auengehölz, der Anhalte (halten = hüten, weiden, dazu Elmauer Halt u.a.). Die Schafe läßt er "in den Flecken", den höchsten, steilen Grasbändern in den Felsen, ihr Futter suchen (Larchetflecke); die gefürchteten Steilwände, in denen die Tiere allzu oft abstürzen, kennzeichnet er als die "Fleischbänke" (Fleischbankspitz), in jenem Hang zu drastisch übertreibender Bildersprache, in dem er üppigere Weideflecke mit gutem Milchfutterertrag nun gleich als "Schmalzgruben" (d.i. Schmalzkeller) benennt.

Wo der Wind die mächtigen Urwaldstämme in wirrem Durcheinander gefällt hat, heißt er es "im Wurf" (Würfl), wo einzelne, entwurzelte Bäume, "Ronen", liegen, am "Runboden" (Rontal [Rohntal], Krün aus "Gerüne" = Windwurf); wenn sie mit der Axt niedergelegt sind (G'hack, Verhack) oder samt Wurzeln ausgehoben, geschwendet (Gschwendt) sind, werden sie erst vom Geäst, den Reisern befreit (Reiserig) und in den Risen (= Rinnen, z.B. Grasris, Gerris zu gêr, auch = Keilform) zu Tal gezogen. War der Weg früher zu weit, so hat man den Holzanfall an den zahlreichen Kohlstattln, Kohlplatzln zu Kohle gebrannt oder wohl an Ort und Stelle geschnitten (Alte Sag, Sagkopf, Amtssäge des Salzbergamtes). Allzuoft sind es auf dem wasserlosen Karstboden die verheerenden Waldbrände, die, unter dem Gluthauch des Föhns anschwellend, klaffende Lücken ins Waldkleid reißen und nur mehr dürre Strünke (= Durren, Durrach) auf den nackten, braunroten Flächen der "Brünste" (Durrenbrünstl, Brandjoch) zurücklassen.

Der Holzertrag wurde im Karwendel viel mehr noch als heute auf dem Rücken der Gebirgsbäche zur "Länd" nach Scharnitz und Mittenwald hinausgeflößt, davon berichten die vielen alten Klausen (Kläusl), in denen der Bach gestaut wurde zum "Klausenplumpf", dem Stauweiher, um dann, losgelassen, in mächtigem Schwall seine Trift hinauszutragen. Wo sich die Stämme an den felsigen "rauhen" Stellen im Bachbett ("Räuhe") und den vorstehenden Felszacken ("Rippen") verklemmen, oder wo sie an den engen Krümmungen einer Klamm, wie der Gleirschklamm, hängen bleiben, da hat oft jeder Winkel von den Holzflößern in urwüchsig anschaulicher Bildersprache seine Benennung bekommen: das "Zwisele" = eine kleine Bachteilung, der "hölzerne Schuß", eine künstliche Verschalung für das felsige Bachbett, in der die Stempel (Rundhölzer) pfeilschnell dahinschießen, die "Porten", eine natürlich überwölbte Felspforte, das "Sandg'sperr", eine Sperre gegen das Versanden des Bachbettes, die "Torggl", ein Wasserwirbel, in dem sich die Stämme im Kreis drehen wie der Drehbaum einer Weinpresse (= Torggl), bis sie, in schwerer Arbeit mit Stange und Zapin flottgemacht, ihren Weg mit der Strömung weiter nehmen.

Noch viel früher wird es aber Sprache und Anschauungsweise des Jägers gewesen sein, die den stillen Tälern und Bergen des Karwendels Namen verlieh, wie denn heute noch außer dem Pfeifen der Murmeltiere, der Uramenten (= Murmenten, "Uramentenloch"), jahrüber kaum ein anderer Laut die große Stille der einsamen Kare durchbricht als das Gekläfft des Jagdhundes, der das Wild im "Rigel" seinem Herrn zutreibt, es vom Lager aufscheucht, "aufrigelt" (zu rogel = beweglich, Rigelkar, fälschlich Riedelkar). Kommen doch viele unserer Karwendelnamen schon in jenem denkwürdigen Jagdbuch vor, in dem sich Kaiser Max seine tirolischen Jagden mit liebevoller Treue abschildern ließ, und dessen Angaben der Plätze für das "Hierssengejaide", für Windhatzen (= Jagden mit Windspielen) und Gamssulzen (= Salzlecken, davon Sulztal, Sulziklamm [Sulzlekamm]) wir auf unserer Karte wiederfinden, ebenso wie manch uralte Grenzpunkte und Vermarkungen im Karwendel.5) An das Revier des "großmechtigen Waidmanns", wie er sich verhüllend nennen ließ, erinnert auch der Kaiserstand ob Zirl, wie der Herzogstand am Walchensee an die bayrischen Herzöge, liegt er doch knapp über der vom letzten Ritter als Jagdsitz benützten Andechserburg Fragenstein, von der aus der Kaiser das "Gejaide am Örlspitz" "in Christem und Hippem" bejagte. Sicherlich war die hier unmittelbar anschließende "Freiung" im hintersten wilden Schloßbachtal (Freiungstürme) nichts anderes als ein Schongebiet für die Gemsen, wo sie vor Verfolgt gefreit, d.h. gesichert waren, wie deutlich aus einer Stelle des steirischen Jagdbuches über die Fölz hervorgeht: "die Velcz hat der Kayer als die mueter der gamss, davon alle umligunsten gebirg mit gamssen beseczt werden, gefreit." "Gamsfreiheit" auch in Vorarlberg.)

5) Nicht von "Gejaide" kommt der Name des sogenannten Gjaidsteiges, richtiger Glaidsteiges, bei der Fereinalm, ma. s'Gload, sondern von Gloat = schmaler Steig (zu "leiten").

Wie ein Überbleibsel unmittelbar aus der Zeit Maxens und den Erzählungen, die sich um ihn ranken, berührt es, daß am Fuß der sagenberühmten Martinswand noch heute der Name Stellwandl haftet. Bekanntlich pflegte man nach den uns etwas barbarisch berührenden Jagdsitten jener Zeit das Wild gegen eine unübersteigliche Wand, eine "Stellwand", zu treiben (vgl. "Zeitschrift" 1933, S. 184). Der Ort, wo das erlegte Wildpret "zerwirkt", ausgeweidet, wurde, ist uns offenbar im "Zwirchkopf" überliefert. Die Ausdrücke Richtstand und Richtstatt für den mit Laubdeckung versehenen Jägerstand in älteren Jagdbeschreibungen erklären uns die mehrfach im Karwendel vorkommenden "Richtstände", "Richtstattlen", wie auch den seltsamen Ausdruck "G'richt" in "Krein's G'richt" (vom Personennamen Kreis = Quirinus), Ameiseng'richt = Vorrichtung der Sammler von Ameiseneiern (G'richt schwäbisch für Fangvorrichtung gebraucht). Zweifellos der Auslug des Jägers ist mit "Hohe Warte", "Gamswart(-sattel)", "Spähköpfl", gemeint (warten = schauen, spähen), das Hahng'richt an der Pleisenspitze dagegen ist die Deckung des Jägers, der hier an der Waldgrenze dem Auer- oder Spielhahn nachstellt, wenn er in den schütteren Bäumen falzt, wie man ihm anderwärts auch am Hühneregg, beim Hühnerbichl und unter der Losfeichte (= -fichte) "auflost" (losen = lauschen), wenn er in die "Hahnzüge", d.i. in seinen gewohnten Strich einfällt.

Zahllose Namen, wie Bärlahner, Bärfall, Bärengschoß (mhd. schoz = Steilrinne), erinnern daran, daß Meister Petz bis ins 17. Jahrhundert im Karwendel seinen Schlupfwinkel hatte. Die "Bärenbad", "Wildbad" (Arnspitzen) kommen deshalb so häufig vor, weil sie dem Jäger wichtige Wildwechsel bezeichnen, wo er das Schwarz- und Rotwild "an seinen Lieblingaufenthalten, den Tränken," (Brehm) beschleichen kann, wo es "solt" = suhlt, die Suhle (oder "das sol") aufsucht, daher auch die Solen(alm), Solstein, Persal im Zillertal (1318 daz persol) ihren Namen bezogen. Dem Eber, der ähnlich lautend mhd. auch bêr heißt, wird das laubwaldarme Kalkgebirge selten seine Lebensbedingungen, Eichel- und Bucheckernmast, geboten haben. Dafür beherbergte es seltene Pelztiere, wie Lux [Luchs] und Hermelin, auf die man im "Luchstal", am "Luchsfallenschrofen" und im "Harmeleskar", am "Harmeler" Jagd machte.

Von dem unruhigen Getriebe, das der Bergbau vor langer Zeit in die stillen Täler brachte, wissen wir zum großen Teil auch nur mehr durch die da und dort verstreuten Namen "Knappenlöcher", "Knappengruben" und ähnliche; liegen sie doch oft an Orten, wo wir heute kaum je die Möglichkeit eines Schurfes vermuteten, hätte nicht das Volk sie getreulich in seiner Erinnerung bewahrt. Ungleich ergiebiger wurden einst im Herzen der Seefelder Gruppe die ölhaltigen Bitumenschiefer gefördert und an Ort und Stelle verhüttet ("Ölbrenne"), aber noch früher mutete man, von viel Geologie nicht beschwert, bei Mittenwald Gold (Goldanders Hütte) und Silber am Ropfenvogel (Bergmannsname "Rupf den Vogel") und in Lafatsch. Der seltsame Name Reps beim Bergwerk "zum silbernen Hansl" ebendort und nochmals am Zischgenkopf in der Umgebung von verlassenen Bergwerksstollen auftretend, ist diesem verschollenen Knappenwesen zuzurechnen. Er dürfte zu dem altbayrischen Bergmannsausdruck "reben" = durch Rütteln über einem Sieb taubes Gestein vom Erz sondern, gehören (mit s-Suffix gebildet) und scheint demnach die Abraumhalden zu bezeichnen, die an beiden Orten vorkommen.


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Letzte Aktualisierung am 25. April 2021

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