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Während der Geltungsbereich von "Karwendel" sich
ausdehnte, verengerte sich der von "Scharnitz".
Heute der Name eines Grenzdörfchens, war "Scarince" im
Mittelalter Bezeichnung eines ungeheuren Waldgebietes, das die
Seefelder Paßtalung, längst vor Gründung von
Mittenwald, von Krün und Klais im Norden bis zum heutigen Leithen
am Südhang des Passes erfüllte und bloß in der
Römerzeit von dem verlorenen Strang der Römerstraße
Teriolis (Martinsbühel) – Partanum (Partenkirchen)
durchzogen war. Scarantia, wie es noch 763 hieß, ist nun
wirklich ein Wort, das in illyrische, also selbst vorrömische
Zeit zurückgeht, venetische Mundarten kennen heute noch die
Bezeichnung "skaranto" = "Fels", nach den kahlen
Felsbergen ringsum hat man also wohl das öde waldige Tal genannt.
Auf den Boden dieser Waldeinöde sind in deutscher
mittelalterlicher Zeit Rodungsorte entstanden, so 1080
Mittenwald, "in media silva", auch
Krün erinnert in seinem Namen "Gerüne",
das ist "Gewirr von Ronen, gefallenen Baumstrünken" an
seine Entstehung auf wildem Waldboden, im Süden entstanden um
1260 "Rute", das ist Reith = "Rodung",
Seefeld und Leithen und bloß dort, wo ein großer
geschlossener Waldrest noch viel länger erhalten blieb, beim
Austritt der Isar aus dem Karwendel, blieb der alte Namen Scarince
oder, wie er auch hieß, Scherenzwald, noch haften.
Im weiten Umkreis um den erst 1478 genannten vereinzelten Hof
"Scharnitz" gab und gibt es keine wirklich alten Namen, die
von einer vordeutschen oder älteren deutschen Besitzergreifung
dieses Gebietes zeugen könnten. Als Mittenwald gegründet
war, da haben wohl nach damaligen Berichten die Inwohner dieses
Verkehrsortes in den weiten urwaldartigen Forsten in der "Hintern
Au" und im "Gleyrs" "Hirsche und Bären
gehetzt", "Federspiel gefangen" und
"Floßhagken geschlagen", das heißt Stämme
zum Verflößen gefällt, schließlich verhinderte
diese natürliche Ausbreitung der einzigen größeren
Siedlung des Gebietes die Tiroler Grafschaft, die ihr strittiges
Forstbannrecht als Grundlage ihrer Landeshoheit hier
rücksichtslos durchsetzte. Immerhin erinnern in diesem solange
öd gelegenen Landstrich – heute etwa das Gemeindegebiet von
Scharnitz – noch Namen wie Vogelkar, Neunerkar,
Marxenkar, Schlaucherkar (Schlauchkar), Karners Loch,
Stachelkopf (alle im Karwendeltal), dann in Gleiersch
"Krapfenschlag, Hupferklamm" u.a. daran, daß die noch
urkundlich nachweisbaren Mittenwalder oder Werdenfelser Bürger
Vogel, Neuner, Marx (= Markus), Schlaucher, Karner, Stachel, Krapf,
Hupfer noch in späteren Jahrhunderten hier Waldanteile und
Holzschläge besaßen.
Auch Scharnitzer Familien haben in solchen jüngeren Namen
ihren Niederschlag gefunden, wie die "Gaugg" in den
Bergnamen Gauggenkopf, Raggenkopf, Raggenloch,
Zischgenkopf, – viel früher sind aber, wie nach den
Namen zu schließen, ins Herz des Karwendels Bewohner der alten
im Inntal liegenden Siedlungen vorgedrungen – wie das in den
Alpen die Regel ist, über die Jöcher des Talhintergrundes
her kommend und von den Ursprüngen der Gebirgsbäche
talabwärts schreitend. Wenn wir die Namen des Karwendels in
sinnvollem geschichtlichen Zusammenhang sehen wollen, so müssen
wir den Wegen dieser ältesten Ausbreitung folgen, die
schon vor der Römerherrschaft in Tirol, unter den Illyrern, vor
sich ging. Diese Gebiete der frühesten Besitznahme von Gebirge
decken sich mit den alten Weidebezirken und leben vielfach in den
Gemeindegebieten, soweit diese an alte Gerichtsgrenzen
anschließen, noch fort.