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Der vorstehende Abschnitt galt den ältesten Siedlungsspuren im Karwendel – darum nahmen die nichtdeutschen Namen darin einen großen Raum ein, manchem Leser vielleicht einen verhältnismäßig zu großen10). Das eigentlich bestimmende Gepräge hat dem Namenschatz des Gebirges tatsächlich auch erst die deutsche Zeit aufgedrückt, die Betätigung der deutschen Bevölkerung als Almhirten, Jäger und Bergleute, die in den Namen unvergleichlich mehr Spuren hinterließ. Nur ein kleiner Ausschnitt aus dieser Unzahl von Namen kann hier gebracht werden.
Die deutschen Almgründungen setzten dort ein, wo von Natur
aus wenigstens Breschen in den Hochwald geschlagen waren, z.B. wo
Windwürfe Lücken gerissen hatten (Ronberg,
Rontal von Rone = Windwurf) oder wo durch Lahngänge
lichte Flecken, "Bletzen" vorhanden waren –
Bletzachalm. Der "Gern" (= keilförmige Flur)
bezeichnet dagegen die spitzzulaufenden Grundriß einer solchen
Almrodung (Gernalm). Mit "Kot" benannte man
den Almleger schlechthin, Altkot ist die Stätte eines
verlassenen Almlegers. Überall ist im Karwendel das
mitteltirolische Wort Isse für Almanger, Almweide
verbreitet (von dem indogermanischen Stamm ed- = "essen,
fressen" abzuleiten), es steckt selbst im Bergnamen
Hochnissl, Niedernissl ("auf dem Hohen–,
Niederen Issl"). Um sich für die Schlechtwettertage einen
Heuvorrat zu sichern, bringt der Senner auch Wildheu ein, am
Habichl (= Heubichl) am Mahnkopf, Mahmoos (zu
mahnen = mähen) und bewahrt es in Dristen = Heuschobern auf
(Dristenau, das Mundartwort Driste ist entlehnt aus rom.
tristegum "Gestell".
Aus der Arbeitseinteilung auf der Alm erklären sich die
vielen Namen "Sonntager", Sunntiger,
Sonntagsweid, ebenso auch Namen wie Sonntag- oder
Samstagskar. Jener Sunntiger am Halleranger erscheint schon
1452 als "Suntachwaid". Alle diese Fluren sind
ungefährliche Weideplätze, die wenig Aufmerksamkeit beim
Hüten erfordern und dem Hirten ein wenig Sonntags- oder
Feierabendruhe ermöglichen. Auf den gefährlichen,
abschüssigen "Flecken" (= Grasbändern im
Fels) sucht sich dagegen bloß mehr das Kleinvieh oder das Wild
seine Nahrung (Schafflecke, Hirschflecke,
Larchetflecke oberhalb der Larchetalm). Immer wieder taucht
für solche Wände, wo das Kleinvieh häufig
abstürzt, die grotesk bildhafte Benennung Fleischbank
auf.
Am unerklärlichsten scheinen aber die Namen von Karen und Tälern, die zu einem weit im Haupttal draußen liegenden Gut gehören und von ihm den Namen entlehnt haben; im Weingertal, 1722 Weingarttal, wird nie Wein gebaut worden sein, aber es gehörte wohl nach Zirl zum sonnig gelegenen Hof Weingarten am Fuß des Schloßberges; das Speckkar (Halltal) wurde vom Hof Speck am Gnadenwald (Speck b. Innsbruck urk. "an der specke") befahren; mit "specke" bezeichnet man einen Knüppelweg über morastige Stellen.
Auch das Praxmarerkar trägt keinen im Karwendel bodenständigen Namen, sondern den Familiennamen eines Besitzers, der aus dem Sellrain (dort Praxmar) herstammt
10) Sehr alt ist die Eindeutschung des Gebietes um Zirl. Siehe "Mitteilungen" 1934, S. 31 f. Im Bereich der alt baiwarischen Gründung Hötting (urk. Hetiningen) ist der Name Frau Hitt und die daran geknüpfte Sage nach J. Schatz eine Erinnerung an die Hilde oder Hitti der altgermanischen Hildesage, ebenso der Name Hetin (in Hetiningen).