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Home IV. Der Hochkönig auf dem Ewigen Schnee Abstieg nach Hinterthal Irrgang an den Abhängen und in den Gräben des Ewigen Schneegebirges
 H. v. Barth: Aus den Nördlichen Kalkalpen (1874)
 I. Aus den Berchtesgadener Alpen
 IV. Der Hochkönig auf dem Ewigen Schnee

Ueber den Filzsattel in's Dientener Alpenland

Den einzigen Vortheil, welchen den unerwünschte Verlauf meines Wanderungstages mir bot, nach mehrtägiger Alpenkost wieder etwas konsistentere Nahrung zu mir zu nehmen, nützte ich, so gut es eben gehen wollte; auch ein paar Glas sauren Bieres wurden mit grossem Wohlbehagen vertilgt. Ueber das Ewige Schneegebirge [Übergossene Alm] und die Ersteigung seines Gipfels aber wusste Niemand Bescheid. Dass von dieser Seite keine Aussicht auf Erfolg sich biete, sagte mir übrigens der eigene Blick; der Aufgang von Süden her, von welchem ich gelegentlich hatte erzählen hören, und welcher nun, nach dem ersten Misserfolge, meinen festen Plan bildete, mochte wohl mehr in der Mitte des Gebirgsstockes, also weiter gegen Osten gelegen sein.

Ich nahm daher gegen 4 Uhr Nachmittags, als das Gewitter sich verzogen hatte, den Marsch wieder auf und verfolgte die schlecht fahrbare Strasse zur Wasserscheide des Filzsattels Filzensattel hinan. Fast eine Stunde lang zieht dieselbe in fühlbarer Steigung sich bergan*), fast unausgesetzt durch Hochwald, selten eröffnet sich ein Rückblick gegen das Urschlauer [Urslauer] und Saalachthal, auf die Gipfelreihe des Steinernen Meeres, die nun als scharfe Felskette keine Ahnung gibt von den meilenweiten Hügelflächen, die hinter diesen Häuptern in wenig geringerer Höhe sich hindehnen. Waldberge zur Rechten, welche breit und flachgerundet zum Scheideck und weiterhin zur Klingspitz, dem Grenzwalle gegen das Saalachthal hinaufziehen; Wald zur Linken, an den Flanken des Filzkogel [Filzenkopf] hinauf, durch seine Lichtungen blicken in wechselnden Gestalten die Kalkzinnen des Ewigen Schnee herunter.

*) Die Thonglimmerschiefer von häufig auffallender blutrother Färbung, welche dieselbe begleiten, gehören den tiefsten Lagen der alpinen Trias, den sogenannten Werfener Schichten (Buntsandsteinformation) an. Das etwas südlicher gelegene Schiefergebirge von Dienten, welches der Urschlauerbach [Urslauache] in kurzem Bogen durchbricht, ist das einzige Gebiet der Alpen, in welchem die silurische Formation aus Petrefaktenfunden nachgewiesen werden konnten.

Die Wasserscheide des Filzsattels (3710' 1205 m. Keil) eröffnet einen weiten Ausblick gegen Osten, über die Hochtäler der Dientener (oder Mühlbach-) Alpen zeigen in der Ferne sich die Radstädter Tauern. In kürzerer Strecke, aber steiler, geht es jenseits der Wasserscheide hinunter in's Quellengebiet des Dientener Baches; zur Rechten öffnet sich das Dientener Thal, weithin breiten sich grüne, hügelige Weidenmatten, mit zahllosen Alphütten übersäet. Dem Hauptwasserlaufe abwärts folgend, wendet die Strasse sich südwärts, nach Dienten; Alpwege verzweigen sich von ihr nach allen Richtungen, zunächst gegen Osten, eine breite, langgestreckte Thalterrasse entlang. Dort steigen neue, anmuthig gerundete, üppig begrünte Bergrücken empor; unter ihnen dominieren Kollmannseck (5353' 1739 m.) und Schneeberg (5904' 1918 m. Keil). Im Norden aber ist ein Theil des Ewigen Schneegebirges [Übergossene Alm] wieder sichtbar geworden. – Eine Reihe scharfgezeichneter Felsengipfel schliesst mit einer grossentheils bewachsenen, breit in's Thal hineintretenden Bergpyramide: es ist der südliche Ausläufer des Hauptmassivs, der Kamm der Hohen Köpfe, des Kranalkogls und der Taghaube, die westliche Abgrenzung des Birgkars.


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Letzte Aktualisierung am 25. April 2021

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